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Eine unerträgliche Situation für viele Angstpatienten

Foto: AP/Michael Probst
Menschen mit Zahnbehandlungsangst, auch Oralophobie genannt, waren oft mehr als zehn Jahre nicht beim Zahnarzt. Wichtig ist für die Betroffenen das Wissen, dass sie mit dem Problem nicht allein sind, denn mehr als zwölf Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen. Die Behandlung der Angstpatienten erfordert das individuelle Eingehen auf jeden Einzelnen. Eine neue Beziehung oder Arbeitsstelle ist oft der Anstoß, warum die Menschen ihre Angst überwinden wollen.

Die Scham nehmen

"Der Patient hat ja nicht nur Angst sondern geniert sich auch - dieses Schamgefühl muss ihm genommen werden. Die Geduld dafür muss nicht nur vom Arzt da sein, sondern dem Patienten auch vom gesamten Assistenzpersonal vermittelt werden", erklärt der Salzburger Zahnarzt Oskar Bender, der auch Angstpatienten behandelt.

Lerneffekt und aktive Mitgestaltung

"Der erste Termin ist nur ein Gespräch. Danach versucht man ganz kleine Füllungen zu machen, die nicht mit starken Schmerzen verbunden sind", erklärt Bender. Beim Patienten solle ein Lerneffekt stattfinden: Das vorhandene unbewusste negative Erlebnis muss durch eine Reihe von positiven Erlebnissen ausgeschaltet werden. In vielen Fällen haben Angstpatienten nämlich irgendwann schlechte Erfahrungen bei der Behandlung gemacht. Für die Psychologin Jutta Haslinger ist vor allem die aktive Mitgestaltung der Patienten wichtig: "Der Angstpatient muss lernen darüber zu kommunizieren, was er braucht." Dadurch bekommt er auch ein Stück Kontrolle über die Situation zurück.

Für den Wiener Zahnarzt Manfred Crepaz ist das "Raum-Zeit-Erlebnis" für Angstpatienten wichtig: "Für das Erstgespräch nimmt man sich viel Zeit, es findet in Wohnzimmeratmosphäre, nicht im Behandlungsraum statt. Bei der Anamnese ist wichtig herauszufinden was der Angstreiz ist." So helfe zum Beispiel ein Kopfhörer mit Musik gegen Bohrgeräusche. Auch eine Duftlampe kann hilfreich sein, um den typischen "Zahnarztgeruch" zu neutralisieren.

Vollnarkosebehandlung als Alternative?

Manche Zahnärzte bieten für Angstpatienten ausschließlich eine Behandlung unter Narkose an. Bei Behandlungen in Vollnarkose geht der positive Lerneffekt aber vollständig verloren. Die Kosten für die Narkose werden in der Regel nicht von der Krankenkasse übernommen. Eine Alternative zur Vollnarkosebehandlung ist die so genannte Analgosedierung, bei welcher der Patient zwar müde und schläfrig wird, aber ansprechbar ist. Die Schmerzausschaltung erfolgt über eine intravenöse Spritze: "Die meisten Patienten mit Zahnbehandlungsangst haben Angst vor Spritzen im Mund, aber nicht vor der ganz normalen ärztlichen Spritze", weiß der Salzburger Zahnarzt.

Das Ziel ist, dass der Patient irgendwann wieder von sich aus zur Zahnprophylaxe kommt. Sind größere Zahnprobleme mit der Analgosedierung behoben, könne man langsam zur "normalen" Behandlung übergehen, wobei kleine Behandlungseinheiten wichtig seien. Auch Crepaz wendet die Vollnarkose nur in letzter Konsequenz an. Die Narkosebehandlung kann die Phobie nicht heilen, kann aber bei einem besonders desolaten Gebiss sinnvoll sein um die gröbsten Mängel zu beheben. (mat)