Wien - Das weltweite Medieninteresse am Fall der nach achteinhalb Jahren ihrem Entführer entkommenen Natascha Kampusch war ein beherrschendes Thema der ORF-Diskussionssendung "Offen gesagt" am Sonntagabend. Der Gerichtspsychiater Reinhard Haller hat "nach wissenschaftlichen Methoden das Schmerzensgeld berechnet", das der heute 18-Jährigen für das erlittene Schicksal und dessen Folgen zustünde, und kommt dabei auf 664.900 Euro. Es sollte möglich sein, diese Summe durch Spenden, aber auch durch Verträge für die mediale Verbreitung ihrer Geschichte zusammenzubringen, meinte er.

Der "Hunger der Meute, der Öffentlichkeit" nach weiteren Informationen über den Fall Kampusch sollte nach Ansicht des Kommunikationsberaters Wolfgang Rosam bald gestillt werden. Sonst werde "die Jagd" nach dem ersten Foto, dem Exklusivinterview, gnadenlos weitergehen. Die mit dem Fall befasst Medienberater und Psychologen gehörten "an einen Tisch", denn eine gemeinsam erarbeitete Strategie sei nötig, damit der jungen Frau nicht noch Schaden zugefügt werde.

"Vermittlungshonorare"

Der ORF-Journalist Christoph Feurstein berichtete, ihm seien nach der Ausstrahlung eines Interviews mit Natascha Kampuschs Mutter, Brigitta Sirny, "Vermittlungshonorare" in der Höhe von 2.000, 3.000 oder 4.000 Euro angeboten worden. "Schon am ersten Tag ging es um Kino- und Filmrechte", sagte der Reporter. Für die Buchrechte seien 50.000 Euro offeriert worden, für einen Auftritt Nataschas in einem Fernsehstudio 10.000 Euro.

"Auch an uns werden Angebote herangetragen", sagte Generalmajor Gerhard Lang vom Bundeskriminalamt. Die Polizei leite Medienofferte an die Jugendanwaltschaft weiter. "Es ist nicht unsere Aufgabe, Kapital daraus zu schlagen, für wen auch immer." Das riesige mediale Interesse verglich Lang mit dem Medienansturm nach der Katastrophe von Kaprun, wo im November 2000 durch einen Seilbahnbrand 155 Menschen ums Leben kamen.

Neustart

"Wenn man daraus ein Geschäft für Natascha macht, dann ist das durchaus legitim", sagte Rosam. Es gehe um Geld für ihren Neustart, da sei es "legitim, dass sie ihre Geschichte so teuer wie möglich verkauft". Da sie offenbar auch selbst das Bedürfnis habe, von ihrem Schicksal zu erzählen, könne sich eine "win-win-Situation" ergeben.

Haller sprach sich dafür aus, der 18-Jährigen das Geld nicht direkt zu geben, sondern es für sie verwalten zu lassen. Überdies solle die psychiatrische Betreuung kostenlos ausfallen, ebenso wie sich Anwälte zu einem ehrenamtlich für Natascha Kampusch arbeitenden Gremium zusammentun sollten. Ihre Geschichte solle sie "unter nahezu therapeutischen Bedingungen" über einen oder zwei Vertraute bzw. in deren Beisein erzählen. (APA)