Elton Johns "Candle in the Wind" beherrschte gerade den Äther, im Kino versank allabendlich die Titanic und Hermann Maier wurde trotz eines spektakulären Trainingssturzes Doppelolympiasieger im japanischen Nagano. All das hatte Natascha Kampusch als damals zehnjähriges Mädchen noch in Freiheit miterlebt, bevor sie am 2. März 1998 entführt wurde. Bis zu ihrer Flucht aus ihrem Gefängnis in Strasshof vor einer Woche vergingen achteinhalb Jahre. Dazwischen liegen Welten, wie nachfolgendes Panorama mit Bedachtnahme auf mögliche Interessen von Heranwachsenden zeigt:

Popstars kamen und gingen. Britney Spears ("Baby One more Time", 1999) und Christina Aguilera ("Genie in a Bottle", 1999) etwa wuchsen sich zu Superstars aus, von einem Uncle Kracker ("Follow Me") hat man seit 2001 nichts mehr gehört, die Girlieband No Angels ("Daylight in Your Eyes", 2001) gibt es nicht mehr in Originalbesetzung. 2003 startete mit der ORF-Castingshow "Starmania" die bis heute ungebrochene Karriere von Christina Stürmer.

Zu den Großereignissen, die Natascha Kampusch, wenn überhaupt, nur per ausgewählten Videomitschnitten mitverfolgen durfte, gehörte auch der Jahrtausendwechsel. Während die ganze Welt zu Silvester 1999 in einem Meer aus Feuerwerken versank, konnte die damals Zwölfjährige nicht mit ihrer Familie oder mit Freundinnen feiern.

Theoretische Übungen

Zwei Jahre später hat innerhalb der europäischen Währungsunion der Euro die Welt verändert. Der Mulitplikationsfaktor 13,7603 machte in Österreich jeden Einkauf zur mehr oder weniger schwierigen Rechenaufgabe. Und gerade Jugendliche hatten damit weniger Probleme als an den Schilling gewöhnte Erwachsene. Doch für Natascha Kampusch, damals 14, blieb die Umrechnung höchstens eine theoretische Übung.

Nur drei Monate vor dem neuen Geld in Europa erschütterten am 11. September 2001 die Terror-Anschläge auf das World Trade Center in New York die Öffentlichkeit. Ein Ereignis, das auch am Weltgeschehen noch nicht so interessierte Jugendliche schockierte und beschäftigte.

Aber auch bei kollektiv erfreulichen Ereignissen war Natascha Kampusch auf ihren Entführer angewiesen. Die sportlichen Erfolge etwa, wie die 16 rot-weiß-roten Medaillen bei der Winterolympiade in Salt Lake City 2002 und die 23 Medaillen heuer in Turin, kann sie nur mit einsamer Freude erfüllt haben.

Auch wenn Natascha Kampusch lange weg war vom normalen Leben, ihre Lebenslust hat sie offenbar nie verloren. Das beweisen nicht nur die Umstände ihrer mutigen Flucht, sondern auch ihre ersten Wünsche in der zurückerkämpften Freiheit: ein Handy und eine Reise nach England. (Michael Simoner/DER STANDARD-Printausgabe, 30.08.2006)