Salzburg - Die Konzerte der Berliner Philharmoniker markierten in früheren Jahren, als noch Herbert von Karajan und Claudio Abbado an ihrer Spitze standen, stets das auch qua-litativ meist krönende Finale im Konzertreigen der Salzburger Festspiele. Was immer auch der Grund für die programmdramaturgische Inkontinenz sein mag, die das heu-rige Nachtröpfeln zweier disparater Konzerttage bewirkt - mit diesem von Sir Simon Rattle geleiteten philharmonischen Berliner Doppeldecker wäre sowieso kein großer Staat zu machen gewesen.

Am ehesten noch mit Mozarts Jupitersymphonie, die nach eher lähmenden Anläu-fen auf die frühe G-moll-Symphonie (KV 183) des diesjährigen Salzburger Festspielgötzen und auf dessen Sinfonia concertante (KV 364) mit Frank Peter und Tabea Zimmermann (Violine bzw. Viola) als Solisten, nach allem, was vorangegangen war, geradezu überraschendes interpretatorisches Format aufwies. Völlig außer Plan erwies sich diese Jupitersymphonie überdies auch als der eigentliche Höhepunkt jenes Programms, mit dem sich die Berliner schon am Vorabend hören ließen. Und dies ausnahmsweise nicht wegen ihres Komponisten, sondern wegen Jupiter, ihres Namenspatrons.

Sir Simon scheint offenbar ein Faible für die Astronomie zu haben. Sonst hätte er nicht schon vier Komponisten dazu animiert, diverse Aspekte des Sternenhimmels in Tönen zu protokollieren. So im Grunde löblich diese Initiative ge-meint sein mochte, so sehr erweist sie sich im selben Ausmaß missglückt und von allen Beteiligten missverstanden.

Schon einmal vom Auftraggeber selbst, der das Publikum vor Beginn des Konzertes ersucht, sich nach den einzelnen Werken des Beifalls zu enthalten, sondern diesen - als handelte es sich um das Werk eines einzigen Komponisten - erst am Schluss zu spenden. Auf diese Weise werden die vier Urheber um den für einen Komponisten nicht unwesentlichen Widerhall auf ihr Werk gebracht. Ob dieser in jedem Fall besonders frenetisch ausgefallen wäre, bleibt dahin gestellt. Sicher nicht nach Katja Saariahos transparent glasigem Asteroid 4179:Tautatis. Vielleicht nach Matthias Pintschers schon deftigeren Towards Osiris oder auch nach Ceres von Mark-Anthony Turnage, das sich als symphonisch gleich griffig erwies wie Komarov's Fall des Australiers Brett Dean.

Das Malheur solcher vom Ansatz her vorbildlicher Unternehmungen liegt nämlich in der allzu willfährigen Bereitschaft der Komponisten, in der Erfüllung ihres Auftrages die gängige Routine der Konzertrituale durch den Einbau konventioneller Effekte mitunter sogar bis zur Selbstaufgabe zu bedienen. Sogar eine so interessante Komponistenpersönlichkeit wie Hanspeter Kyburz ließ sich in seinem für das Chicago Symphony Orchestra entstandenen Werk Noesisan zu einem für ihn geradezu befremdlichen rhythmisierten Lärmen hinreißen, mit dem wohl der Eindruck eines symphonischen Finales erweckt werden sollte.

Dies bezüglich aus dem Vollen schöpfen konnte in dieser Hinsicht mit bestem Gewissen Colin Matthews, der vier Klavier-Préludes Claude Debussys delikat für Orchester arrangierte. Die einzig wirklich berührenden Momente vermittelten die Correspondences von Henry Dutilleux (90), der die von Rattle mit respektabler Präzision vorbereitete und von Barbara Hannigan mit hoher Intensität gesungene Wiedergabe durch persönliche Präsenz auszeichnete. (Peter Vujica / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.8.2006)