Salzburg – Die nun doch schon bald sechs Jahrzehnte andauernden medialen Dressurakte, mit denen man sich bemühte, den musikalischen Normalverbraucher nach und nach doch auch zu geduldigen Konsumenten von Gegenwartsmusik abzurichten, beginnen nun sogar schon beim Salzburger Festspielpublikum ansehnliche Erfolge zu zeitigen. Anders wäre es wohl nicht zu erklären, dass sich einige Hundertschaften von Freiwilligen auf den langen Weg nach einem Ort machen, den man, wenn schon nicht gleich als "A.... der Welt", so doch getrost als jenen von Salzburg bezeichnen kann, wo im "Lehrbauhof" die Uraufführung eines neuen Werkes von Karl-Heinz Stockhausen stattfand.

Mit seiner Mixtur 2003 machte Stockhausen (78) seinem Ruf als Altmeister der deutschen Gegenwartsmusik gleich in mehrfacher Hinsicht alle Ehre. Zunächst einmal als Wiederverwerter des eigenen Schaffens. Immerhin hat er schon 1965 in Hamburg als erste live-elektronische Komposition überhaupt eine Mixtur präsentiert. Seine gewiefte Meisterschaft zeigte sich jedoch auch auf ziemlich profane Weise. Hat er seine im Auftrag der Festspiele angefertigte nunmehrige Mixtur 2003 doch eigentlich nur zur Hälfte komponiert. In den zweiten 30 Minuten lässt er das Stück nämlich von dessen Ende zurück zum Anfang spielen.

Was bei Mozart oder Brahms wohl nur sehr schwer vorstellbar wäre, ist bei Stock-hausen kein Problem. Die von Mitgliedern des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin erzeugten Klänge äußern sich im üblichen terzenlosen, dynamisch und rhythmisch fahrigen Esperanto, das ohne prägenden Eindruck durch die Ohren rinnt. Da der Meister durch einen rebellierenden Ischiasnerv an der Leitung der Uraufführung gehindert war, koordinierte Wolfgang Lischke die Korrespondenz zwischen Musikern, vier Sinusgeneratorspielern und gleich vielen Vormischern und André Richard, dem für die Klangregie zuständigen Haudegen der Elektronik.

Das Erstaunliche an dieser Darbietung war jedoch der minimale akustische Effekt, den dieses Großaufgebot erbracht hat. Die im Programmheft verheißene "zweite Welt subharmonischer Obertonspektren" blieb so gut wie unhörbar.

Wie man überhaupt gut daran tat, sich an den vor blumenreicher Komik strotzenden Begleittext zu halten. So konnte man lesen: "Nach zwölf Sekunden erhebt sich eine Solovioline, um ganz nah am Mikrophon ein mit 1968 Herz moduliertes dreigestrichenes H (1976 Herz) zu zupfen. Nach zwölf Sekunden setzt die Musik wieder ein, aber nun löst sich die Schaukel in zwölf Pendelbewegungen wieder auf, wobei im letzten Moment beide Gruppen ihre Pizzicati mischen. Der Ruf der Solovioline, sich in der Höhe zu vermischen, ist nicht ungehört geblieben."

Der Autor dieser Ergüsse ist übrigens Professor für Literaturwissenschaft in Chemnitz. – In Chemnitz müsste man sein. Besser als am Mittwoch am A.... von Salzburg. (Peter Vujica / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.9.2006)