"Man ist wirklich erschüttert", schilderte Ganzger von der Kanzlei Lansky, Ganzger & Partner, zwei Stunden später seinen persönlichen Eindruck. Die veröffentlichten Fotos, die er zuvor gesehen hatte, würden die erschütternde Realität nicht wiedergeben.
Über mögliche Probleme mit einer anderen Veröffentlichung - dem "Protokoll des Leidens" in News, äußerte er sich weniger gerne. Wie berichtet, ist ein heftiger Streit über einen möglichen Interessenkonflikt entbrannt: Einerseits hat das Anwaltsbüro die Vertretung von Natascha Kampusch übernommen, andererseits hat Gabriel Lansky auch immer wieder die Verlagsgruppe News vertreten.
Unabhängige Prüfung
Die Kanzlei habe dies der Mandantin eingangs offen gelegt, erläuterte Ganzger am Freitag. Zu dem kritisierten Bericht, in dem angebliche Zitate von Kampusch aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich wiedergegeben wurden, sagte der Anwalt, ein unabhängiger Medienrechtler sei mit der Prüfung der Rechtslage beauftragt. Sein Kanzleipartner Lansky war bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Für Gerhard Benn-Ibler ist die Sache theoretisch klar. "Es darf nichts geschehen, was auch nur den Anschein einer Treuepflichtsverletzung erweckt", betont der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, der Standesvertretung der Anwälte. Diese Treuepflicht ist den Rechtsvertretern wichtig: Sie gehe weiter als das Doppelvertretungsverbot, sie bindet auch Kanzleigemeinschaften und große Büros - "die Vorstellung einer ,chinese wall' innerhalb einer Kanzlei gibt es nicht", verdeutlicht Benn-Ibler.
Prüfung anhand der Standesregeln
Ob es im aktuellen Fall zu einem Bruch der Standesregeln gekommen ist, will Benn-Ibler, der in Lech am Präsidentenrat der Rechtsanwälte teilnahm, nicht beurteilen. "Dazu muss man erst den genauen Sachverhalt kennen." Generell sei es Sache des internen Disziplinarrates, nach einer Anzeige tätig zu werden.
Erst im April hatte man interveniert: Der misshandelte Schubhäftling Bakary J. war von einem Wiener Anwalt vertreten worden, dessen Partner in der Kanzleigemeinschaft übernahm dagegen die Verteidigung der involvierten Polizisten. Die Folge: Beide Anwälte mussten das Mandat zurücklegen.