Barci marschierte als Sechsjähriger Mitte Dezember 1956 dreißig Kilometer durch den Schneemorast bis zur österreichischen Grenze. Heute zählt der Präsident des Creativ Club Austria zu den bekanntesten Werbern Österreichs.
Die Kindheitserinnerungen wirken bis heute nach: "Flüchten zu müssen ist eine sehr belastende Sache. Es war grässlich." Zu Ungarn hat Barci, der nur noch ein wenig Ungarisch spricht, heute kaum Bezug. Das letzte Mal war er vor zwei Jahren dort.
Einen prominenten Namen trägt auch Andreas Rudas. Er war gerade drei, als er mit seiner Familie als einer der letzten der rund 200.000 Flüchtlinge die burgenländische Grenze überquerte. Tatsächliche Erinnerungen an damals hat er keine mehr. Geblieben ist eine tiefe Abneigung gegenüber totalitären Strukturen, die später, als er bei der Sozialistischen Jugend war, nicht immer geteilt wurde - ihn aber früh politisierte. Bekannt wurde Rudas als "Spindoktor" des ehemaligen roten Kanzlers Viktor Klima. Inzwischen hat ihn seine Kindheit partiell eingeholt: Rudas, der fließend auf Ungarisch parliert, ist heute für das Südosteuropageschäft des WAZ-Medienkonzerns verantwortlich - und reist wieder öfters nach Budapest. Trotzdem hat er sich nie anders als, wie er sagt, "echter Österreicher gefühlt.
Der führende Unfallchirurg Vilmos Vecsei - er hat die von einer Briefbombe zerfetzte Hand des Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk operiert - war 14, als ihn seine Mutter mit dem Satz weckte: "Die Russen sind wieder da, wir müssen weg." Er fühlt sich traumatisiert - bis heute: "Es ist unendlich beglückend, hier zu sein, gleichzeitig ist es unendlich schmerzend."
Die Journalistin Marta Halpert kennt solche Geschichten gut. Für ihr neues Buch "Gegangen und geblieben" hat sie verschiedene Lebenswege von 1956ern nachgezeichnet. Von jenen, die in Ungarn geblieben sind und jenen, die fliehen konnten - wie ihre eigene Familie. "Ungarn sind in Österreich relativ beliebt. Um ein guter Österreicher zu sein, muss man auf das Ungarisch-Sein nicht verzichten", meint sie. Dazu beigetragen hat sicher auch die herzliche Aufnahme in Österreich im Jahr 1956. Anders als bei den Flüchtlingswellen im Jahr 1968 nach der Niederschlagung des Prager Frühlings wurden die Ungarn als Quasi-Verwandte aus Monarchiezeiten mit offenen Armen empfangen. Der spätere Bundespräsident Heinz Fischer teilte als Student im Flüchtlingslager Traiskirchen Essen aus und wusch Teller ab, erzählt er in Halperts Buch. Deshalb gebe es bei den Ungarnflüchtlingen und ihren Nachkommen "die ganz, ganz starke Ausprägung, diese Dualität bewahren zu wollen", glaubt die Autorin.