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Wolfgang Schüssel während seines ORF-Sommergesprächs

foto:APA/Herbert Pfarrhofer
Analyse des „Sommergesprächs“ von Freitag, dem 1. 9. 2006, in ORF 2

Stärkenprofil:

  • Im fünften Sommergespräch zeigte sich deutlich, dass die Gesprächspartner von der Moderatorin unterschiedlich höflich behandelt wurden. Der ÖVP-Bundesparteiobmann und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nützte diesen Bonus und reagierte auf die Fragen diszipliniert und zuvorkommend: „Ich habe diese Frage ehrlich gesagt erwartet, Frau Waldner.“

  • Obwohl die Stimme des Bundeskanzlers angeschlagen und belegt war, setzte er die Gestaltungsmittel der Sprache gekonnt ein. Schüssel verwendete neben dynamischen Stilelementen – Raffungen, Dehnungen und Zäsuren – auch den melischen Akzent: Stimm-Modulation durch unterschiedliche Tonhöhe.

  • Der Rhetorikprofi wiederholt seine Wahlbotschaften eindringlich: „Probleme ernst nehmen und gleichzeitig die Angst nehmen“ oder „ich brauche einen verlässlichen Partner in der Regierung“.

  • Dr. Wolfgang Schüssel gibt sich wertschätzend und arbeitet mit Name-Droppern: „Die Niederländer zeigen uns das vor“ oder „Die Neue Zürcher Zeitung lobt uns“. Auch dem politischen Mitbewerb gegenüber zieht er das Konzept des „fairen Wahlkampfes“ durch.

  • Der Bundeskanzler ist bekannt dafür, seine Beispiele so zu selektieren, dass der Wähler den Eindruck hat, es lägen konkrete Konzepte vor: „Wir schaffen 150 Arbeitsplätze – täglich.“

    Schwächenanalyse:

  • Wolfgang Schüssel ist ein Meister des Euphemismus: statt „nein“ zu sagen, umschreibt er schönfärberisch: „Hier kann man nicht einseitig abbiegen.“

  • Wenig informativ sind Bildungsbürger- Antworten: „Darf ich Ihnen mit Mozarts Zauberflöte und Sarastro antworten: In diesen heiligen Hallen kennt man die Rache nicht“ zum Thema der neuen ORF-Generalintendanz.

  • „Da gebe ich Ihnen hundertprozentig Recht, aber …“ Zu offensichtlich ist die Taktik, den Gesprächspartner erst zu loben –um die Aufmerksamkeit und das Wort zu erlangen – und dann das krasse Gegenteil wie das Gegenüber zu behaupten.

  • Botschaften, die mit einem konkreten Beweis und erkennbarem Nutzen belegt werden, sind leichter behaltbar. Zu viele Aufzählungen erschweren das Verständnis.

  • Dass sich der Bundeskanzler selbst abmoderiert und den Zusehern „Gute Nacht“ wünscht, ist nicht das einzige Privileg, das in diesem letzten „Sommergespräch“ sichtbar wurde.(DER STANDARD, Printausgabe, 04.09. 2006)