Die Entdeckung der Verstärkung auch schwacher Schmerzen im Rückenmark ist Anlass für ein Symposium zur "Risikoabschätzung in der Schmerztherapie". Ziel des in Wien stattfindenden internationalen Treffens am 10. November ist die Optimierung der Schmerztherapie unter Berücksichtigung dieser bis vor Kurzem unbekannten Verstärkung. Damit können die im Fachblatt Science publizierten österreichischen Ergebnisse eines FWF-Projekts Patienten rasch zugute kommen, die chronische Schmerzen leiden.

Schmerzverstärkung sorgt bei anhaltenden Schmerzreizen für ständige Veränderungen an jenen Nervenzellen, die für die Reizweiterleitung verantwortlich sind. So wird die Schmerzempfindung gesteigert und kann sogar dann andauern, wenn das eigentliche Schmerzsignal schon lange abgeklungen ist.

Fußte das Erklärungsmodell für dieses Phänomen bisher nur auf Untersuchungen von starken Schmerzen, konnten Forscher um Jürgen Sandkühler von der Abteilung für Neurophysiologie an der Medizinuni Wien die Schmerzverstärkung auch bei schwachen Schmerzen erklären: "Verstärkung tritt selbst dann auf, wenn der Schmerz ganz schwach ist. Wir haben elektrische Reize verwendet, die 50-mal schwächer waren als jene, die bisher angewendet wurden, um eine Verstärkung zu provozieren. Solche schwachen Signale sind charakteristisch bei der Wundheilung und Entzündungen."

Weiters konnte Sandkühler auch jene Zellen identifizieren, die für diese bisher unbekannte Verstärkung verantwortlich sind. Diese liegen in der als Lamina I bezeichneten Schicht im Hinterhorn des Rückenmarks und sorgen dafür, dass die Signale der peripheren Schmerzfasern auf die zum Gehirn führenden Nervenbahnen im Rückenmark übertragen werden. Eine besondere Rolle kommt dabei Kalzium-Ionen zu.

Die Konsequenzen: "Möchte man eine Verstärkung nachhaltig vermeiden, dann reicht es nicht aus, Patienten etwa nach einer Operation für kurze Zeit Schmerzmittel zu geben. Die Therapie muss so lange fortgesetzt werden, bis der Schmerz weit gehend abgenommen hat." (DER STANDARD, Printausgabe, 6. September 2006)