Mit Jamie Olivers berühmter Fernsehszene, gedreht vor gut einem Jahr, wurde sie eingeläutet, die Revolution an den Schulkochtöpfen der Insel. Jetzt, da sich die Klassenzimmer nach den Ferien wieder füllten, kommt sie erst richtig in Fahrt.
Frische Pizza
Die Turkey-Twizzler sind so passé wie Rauchen in irischen Kneipen. Nun schreiben neue Richtlinien vor, dass all das auf den Tisch kommt, was speziell Teenager bisher als "uncool" verpönten: Salatblätter, knackige Karotten, richtiges Fleisch und frische Pizza an Stelle der billigen Gefrierkost, die zu salzig ist und nur dick macht. Pommes frites, die bei den Briten übrigens Chips heißen, dürfen Schülern zweimal pro Woche vorgesetzt werden - höchstens.
Nur wer weiß, wie gründlich die Chips den Speisezettel der Briten noch immer beherrschen, weiß zu würdigen, um welchen Sinneswandel es geht. Auch Salzstreuer sind fortan tabu, Ketchupflaschen ebenfalls, erlaubt sind nur Ketchupsackerln. Fettige Burger? - Nein, danke!
"Aus Kindern, die gesund essen, werden vielleicht einmal Erwachsene, die sich gesund ernähren", hofft Alan Johnson, der beneidenswert schlanke Bildungsminister. Alarmiert durch aktuelle Statistiken, pumpt Tony Blairs Regierung viel Geld in die Schulkantinen, umgerechnet 80 Millionen Euro pro Jahr, um bessere, gesündere Zutaten zu subventionieren. Mit aller Macht will sie einen bedenklichen Trend stoppen, denn die britischen Schülerinnen und Schüler gehören zu den molligsten in ganz Europa, doppelt so viele wie in den Achtzigerjahren sind fettleibig. Erst jüngst sprachen die Wissenschafter in London sogar von einer Übergewichts-Zeitbombe. Wenn nichts geschehe, würden 2010 drei Viertel aller britischen Männer und drei Fünftel aller Frauen zu viele Kilos auf die Waage bringen.
So weit, so ernüchternd. Nun aber kommt "a licence to cook", ein Programm, dessen Motto klingt, als wäre es einem James-Bond-Film entlehnt. Man will Kurse einführen, 24 Stunden praktischen Unterricht an Tiegeln und Töpfen, endend mit einer Lizenz zum Kochen. Ab 2008 muss jede Schule solche Lehrgänge im Angebot haben.
Unbekannte Karotten
Wieder war es Oliver, der quirlige Schauspielertyp, der die Lawine ins Rollen brachte. Wunderbar drastisch die TV-Episode, in der er Zehnjährigen ein kleines Sortiment vor die Nase hält, Karotten, Broccoli, Petersilie. "Na, wer von euch weiß, was das ist?" Die Antworten sind so niederschmetternd, dass der Koch sein Gesicht verzieht, als wäre ihm gerade das Lamm im Ofen verbrannt.
Mit einer einzigen Bildschirmserie über die Misere des Schulessens erreichte er, woran sich Generationen gesundheitsbewusster Pädagogen die Zähne ausgebissen hatten. Was der 30-jährige Wirbelwind anschob, ist von jetzt an Schulpolitik.