Wien - Wenige Stunden vor dem Aufsehen erregenden ersten Interview von Natascha Kampusch hat Martin Wabl, pensionierter Richter, Politiker und ehemaliger Präsidentschaftskandidat aus Fürstenfeld, erneut schwere Vorwürfe an die Mutter des Entführungsopfers gerichtet. "Brigitta Sirny ist maßgeblich an der Entführung beteiligt", behauptete Wabl am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien, allerdings ohne irgendwelche Beweise vorzulegen. Wabl verteilte lediglich ein von ihm verfasstes Gedicht als Presseunterlage.

"Mir fehlen schlicht die Worte", zeigte sich Natascha Kampuschs Mutter über Wabls neuerliche Anschuldigungen fassungslos. Andreas Zembaty vom auf Verbrechensopferhilfe spezialisierten Verein Neustart, der Brigitta Sirny seit Jahren betreut, hatte im Gespräch mit der APA Mühe, seinen Emotionen nicht freien Lauf zu lassen: "Es ist unerhört, dass Vorwürfe, die schon vor Jahren von Gerichten als unzutreffend verurteilt worden sind, jetzt wieder in die Welt gesetzt werden! Und das, ohne neue Fakten vorlegen zu können, die es auch gar nicht geben kann!"

Bei der Staatsanwaltschaft reagierte man auf Wabls heutige Behauptungen irritiert. Gerhard Jarosch, der Pressesprecher der Anklagebehörde, sprach wörtlich von "Käse".

"Wenn der Herr Wabl Beweise hat, soll er sie uns bringen", meinte Jarosch. Gegen Frau Sirny liege nichts vor, betonte er gegenüber der APA. Es habe zwar immer wieder anonyme Hinweise gegeben, die Mutter könnte etwas mit Natascha Kampuschs Verschwinden zu tun haben. Diesen sei auch nachgegangen worden, doch sämtliche Vorwürfe hätten sich nicht belegen lassen.

Wabl hatte auf seiner Pressekonferenz unter anderem behauptet, Natascha Kampusch wäre auf Grund von Umständen, die in den höchstpersönlichen Lebensbereich der Familie hineinspielen, entführt worden. Damit das Kind die angeblichen Vorfälle in der Schule nicht erzähle, sei es laut Wabl gekidnappt worden.

Keinerlei Beweise

Wabl erwähnte auch Hinweise, die Mutter von Natascha und der Entführer Wolfgang Priklopil hätten Kontakt gehabt. Auf die Frage von Medienvertretern, warum das die Polizei immer wieder dementiert habe, meinte Wabl: "Das haben die Ermittler schon einen Tag nach der Entführung gesagt. Es gibt aber Hinweise, dass sie sich gekannt haben." Dafür konnte er selbst allerdings bei der Pressekonferenz keinerlei Beweise vorlegen.

Auf die Frage, weshalb er die Mutter beschuldige, zitierte Wabl ein Interview, in dem Frau Sirny "völlig überraschend" (Wabl) 48 Stunden nach der Entführung gesagt habe, sie habe die Hoffnung aufgegeben. "Das war ein wichtiges Indiz dafür, dass die Mutter nicht ehrlich geantwortet hat und mit der Sache zu tun hat. (...) Da steckt mehr dahinter", behauptete der Steirer.

Auf die Frage, ob er auf Grund seiner bei der Pressekonferenz getätigten Aussagen wieder mit Klagen rechne, meinte Wabl: "Ich werde es darauf ankommen lassen. (...) Ich glaube eher, dass eine Aktion gegen mich eher gescheut wird. (...) Frau Sirny kann ja entsprechende Schritte einleiten lassen. Ich werde auch entsprechende Gegenschritte unternehmen."

Rechtliche Schritte

Wabl könnte sich täuschen, denn nicht nur Brigitta Sirny erwägt rechtliche Schritte, wie ihr Betreuer Andreas Zembaty bereits andeutete. Auch die Staatsanwaltschaft wird möglicherweise gegen den pensionierten Richter vorgehen. "Wir sehen uns das sicher an, ob seine heutigen Aussagen nicht den Tatbestand der Verleumdung erfüllen", versicherte Behördensprecher Jarosch. (APA)