Barcelona/Wien - Die modernsten Gefäßstützen für verengte Herzkranzarterien - die so genannten beschichteten Stents - scheinen nicht nur Vorteile zu haben. Entsprechende Studienergebnisse, wonach die neueren Produkte eventuell gar gefährlicher als ältere seien, wurden beim Europäischen Herzkongress in Barcelona (2. bis 6. September) vorgestellt.

"Die beschichteten Stents sind sechs Millionen Menschen weltweit implantiert worden. Trotzdem sind ihre Langzeit-Sicherheit und ihre Langzeit-Wirksamkeit noch nicht klar. Ich habe das Gefühl, dass wir da derzeit nur die 'Spitze des Eisbergs' sehen", sagte der in Fachkreisen weltbekannte Kardiologe Univ.-Prof. Dr. Salim Yusuf in Barcelona.

Ergebnisse In den zwei Studien, die jetzt in Barcelona präsentiert wurden, schnitten die neuen Stents im Vergleich zu den alten schlechter ab. Dr. Edoardo Camenzind (Genf) erhob, dass 6,3 Prozent der Patienten mit Sirolimus-beschichteten Stents innerhalb von vier Jahren an einen Infarkt starben oder einen erneuten erlitten. In der Vergleichsgruppe mit den alten Gefäßstützen waren es 3,9 Prozent. Der Unterschied war statistisch signifikant. Auch beim Vergleich der mit Paclitaxel beschichteten Stents schnitten die älteren etwas besser ab.

In einer zweiten Studie entdeckte Dr. Alain Nordmann (Basel), dass innerhalb von vier Jahren die Sterblichkeit der Kranken, die mit den neuen Stents behandelt worden waren, insgesamt höher war. Das lag auch an mehr Todesfällen aus anderen Ursachen, speziell Krebs. Das Problem laut Camenzind liegt besonders darin, dass mögliche Probleme mit den Implantaten gar nicht auffallen müssen: "Von diesen Schwierigkeiten wird sicher zu selten berichtet. Leute, die auf der Straße tot umfallen, werden zumeist nicht als Menschen identifiziert, die durch einen Verschluss einer zuvor mit einem Stent versorgten verengten Herzkranzarterie ums Leben gekommen sind."

Hintergrund

Nach der Erfindung der Ballon-Aufdehnung von verengten Herzkranzgefäßen mit aufblasbaren Kathetern Ende der siebziger Jahre kämpften die Kardiologen immer wieder mit dem Problem der erneuten Verengung behandelter Koronararterien. Bei mindestens 30 Prozent der Patienten traten diese Probleme auf.

Um das zu verhindern, wurden die Stents entwickelt: aufklappbare Drahtrohrstücke, welche ein erneutes "Zuwachsen" der behandelten Arterie blockieren sollten. Das verringerte die Komplikationsrate auf um die 15 Prozent. Der sprichwörtliche letzte Schrei sind aber die beschichteten Stents, die über eine kurze Zeit hinweg Arzneimittel wie das Zytostatikum Paclitaxel oder Sirolimus abgeben. Das soll in der behandelten Gefäßregion verhindern, dass sich die Arterien wieder verengen.

Zahl der Rückfälle deutlich halbiert

Laut den ersten Untersuchungen halbierte die Implantierung der neuen und wesentlich teureren Stents (z.B. 500 bis 800 Euro im Vergleich zu 1.300 bis 1.500 Euro) die Rückfälle noch einmal deutlich, in etwa auf die Hälfte. Kardiologen beklagten, dass Spitäler aus Kostengründen die neueren Gefäßstützen nur bei einem geringen Prozentsatz der in Frage kommenden Patienten einsetzen würden. Mitte August vergangenen Jahres war in Österreich von einer Versorgungsrate von 40 bis 45 Prozent die Rede - bei steigender Tendenz. In Deutschland waren es nur zehn Prozent, in der Schweiz und den USA allerdings bis zu 90 Prozent. Aufgrund der zwei in Barcelona präsentierten Studien werden die Vorteile nun in Zweifel gezogen. (APA)