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VP-Klubobmann Wilhelm Molterer greift bei der Klubklausur seiner Partei zu härteren Bandagen: Noch im Herbst sollen die Strafen für Kindesmissbrauch verschärft werden.

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Am Martyrium Natascha Kampuschs kommt auch die Innenpolitik nicht vorbei. Alle Parteien wollen über eine Strafrechtsverschärfung zumindest „reden“. Vorneweg tummelt sich die ÖVP, die Sicherheit in allen Lebenslagen zu ihrem Hauptwahlkampfthema machen will.

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Bad Schallerbach – Die sommerliche Phase des Wohlfühlwahlkampfes ist endgültig vorbei: Bei der ÖVP-Klubklausur im oberösterreichischen Thermenort Bad Schallerbach bemühte sich die ÖVP, sich als „Law & Order“-Partei zu positionieren. Ideales Trittbrett dafür bietet der Fall Kampusch. Klubobmann Wilhelm Molterer eröffnete die Klausur, die als parteiinterner Wahlkampfauftakt gilt, mit der Forderung, das Strafrecht zu verschärfen – und zwar noch in diesem Herbst.

Der Strafrahmen für lang anhaltende Entführungen unter besonders unwürdigen Umständen soll schon bei der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Nationalrates am 30. Oktober von derzeit zehn auf 20 Jahre verdoppelt werden. Die ÖVP will das mit einer möglichst breiten Mehrheit umsetzen.

Lex Kampusch

Das dürfte ihm nicht schwer fallen: BZÖ und FPÖ trommeln ohnehin seit Tagen ihr „Lebenslänglich für Kinderschänder“. Auch die SPÖ würde sich einer Ausweitung des Strafrahmens nicht verschließen. Sogar Grünen-Vizechefin Eva Glawischnig sagt, grundsätzlich könne man über ein höheres Strafmaß bei lang andauernder Entführung „reden“. Allerdings sind SPÖ und Grüne „für einen Schnellschuss aus Wahlkampftaktik nicht zu haben“, wie Glawischnig und der rote Kommunikationschef Josef Kalina unisono sagen. Glawischnig: „Es gibt ein eklatantes Missverhältnis im Strafrahmen bei Delikten gegen Leib und Leben und Vermögensdelikten.“ Die Regierung habe freilich „sieben Jahre lang gar nichts getan, um das zu ändern“.

Die SPÖ zieht aus dem spektakulären Entführungsfall andere Schlüsse. Vordringlich sei eine „massive Verbesserung des Opferschutzes“ (Kalina) – denn in weniger prominenten Fällen als dem Kampuschs sorge der Staat nur mangelhaft für Versorgung und Rehabilitation der Opfer. Kalina: „Wenn über höhere Strafen nachgedacht wird, bestehen wir darauf, dass auch darüber geredet wird.“

Strafrechtsexperten halten eine Reparatur der Strafen bei besonders schweren Entführungsfällen zwar für sachlich gerechtfertigt – aber nicht für dringlich. Erstens ist ein Fall wie jener Kampuschs in den letzten 50 Jahren weltweit nur ein zweites Mal vorgekommen. Und zweitens gelten in der österreichischen Rechtssprechung ohnehin immer die Gesetze, die zum Zeitpunkt der Ergreifung eines Täters gelten. Sollte also wieder eine Person über längere Zeit entführt werden, ist es relativ egal, ob das Strafrecht gleich nach der Wahl oder erst in drei Monaten geändert wird – wenn die Wahl vorbei ist. Weiters im schwarzen „Lex Kampusch“-Paket: Die Einrichtung eines Opferanwaltes, ein Hilfsfonds für Opfer, der Maßnahmen über längere Zeit sicherstellen kann wie etwa das Nachholen einer Ausbildung, sowie die Aberkennung der Berufsberechtigung bei Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses – derzeit nur im Öffentlichen Dienst gültig.

Offen zugeben, dass der Fall Kampusch jetzt ein Wahlkampfthema geworden ist, will man in der ÖVP allerdings nicht. ÖVP-General Reinhold Lopatka zum STANDARD:„Wir haben das vorher auch schon gefordert.“

Einen Vizekanzler Peter Westenthaler wollte Molterer am Donnerstag trotz mehrfacher Nachfrage übrigens nicht ausschließen – auch wenn er Kanzler Wolfgang Schüssels im Standard geäußerter Kritik an der BZÖ-Ausländerpolitik („absurd und indiskutabel“) absolut recht gab. (Petra Stuiber/Barbara Tóth/DER STANDARD, Printausgabe, 8.9.2005)