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STANDARD: Schauen Sie Telenovelas?

Sarah Kuttner: Ich bin anfällig für Serien, aber ich schaue keine Telenovelas. Wobei ich die nicht grundsätzlich doof finde. Ich bin für diesen Quatsch viel zu oft zu haben und habe jahrelang "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" geschaut. Ab und zu bleibe ich noch daran hängen.

STANDARD: Sie sind großer "Six Feet Under"-Fan.

Kuttner: Ich habe "Six Feet Under" bis zum bitteren Ende geschaut und dabei ganz bitter geweint. Das ist eine der wenigen Serien mit einem richtigen Ende, sie haben gesagt, nach fünf Staffeln ist Schluss. Ich finde das sehr, sehr schlau.

STANDARD: Bei welchen Serien bleiben Sie noch vor dem Fernseher sitzen?

Kuttner: "Nip/Tuck", "Sopranos", "Lost", "Dead like Me". Meine aktuelle Lieblingsserie ist die Lesbenserie "The L-Word". Die habe ich schon auf DVD geschaut, noch bevor sie auf Pro Sieben lief. Ich bin jetzt bei der dritten Staffel.

STANDARD: Die es in Europa noch gar nicht im Handel gibt. Woher haben Sie sie?

Kuttner: Ich habe einen tollen Bekannten, der mir alle meine Lieblingsserien aus dem amerikanischen Fernsehen aufzeichnet.

STANDARD: Ihre Begeisterung deckt sich nicht mit der Masse: Die Einschaltquotenvon "The L-Word" waren auf Pro Sieben nur mäßig.

Kuttner: Schade, dabei sind da ziemlich viele Brüste zu sehen. Das müsste doch eigentlich funktionieren.

STANDARD: Es funktionierte genau eine Folge lang. Dann schalteten die Männer um.

Kuttner: Es ist auch keine Männerserie, dafür hat sie zu viel zwischenmenschliches Drama. Zu Beginn der dritten Staffel habe ich Rotz und Wasser geheult. Eine wirklich gute Serie.

STANDADR: Kritik an "The L-Word" lautet, dass die Protagonistinnen reich und schön sind.

Kuttner: Das ist richtig, das haben sie in der dritten Staffel auch selbst aufgenommen. Ein neues Mädchen kommt und sitzt einfach daneben, während alle Hummer und Möhrensüppchen essen. Das ist L.A. – Kohle haben und stylisch sein. Was mich mehr nervt, sind die ganzen Sexszenen. Unnötig, wie ich finde. Das ist egal, weil es um Schicksale geht. Das eint alle Serien, es gibt immer ein Metier – die Bestattungen bei "Six Feet Under", Schönheitschirurgie bei "Nip/Tuck" usw. Innerhalb dieses Genres finden die Familien- und Liebesdramen statt.

STANDARD: Haben Sie je "Commander in Chief" gesehen, Geena Davis als US-Präsidentin?

Kuttner: Klingt komisch. Ist das gut?

STANDARD: Nach einem fulminanten Start wollte es in den USA nach kurzer Zeit keiner sehen.

Kuttner: Ich finde es gut, dass so etwas noch versucht wird. Angesichts des ganzen Drecks, den es sonst gibt, sind das Perlen. Pro Sieben und Vox machen das ganz gut. Ich denke dabei an die "Gilmore Girls": eine fantastische Serie. Das wissen nur wenige Jungs, weil sie denken, das ist Mädchenquatsch. Aber es ist schlauer Mädchenquatsch, in dem Björk-Schneemänner gebaut und Belle-and-Sebastian-CDs geschmuggelt werden. Was will man mehr?

STANDARD: Deutsche Pendants dazu gibt es nicht. Die deutsche Version von „Nip/Tuck“ war eher peinlich. Warum ist das so?

Kuttner: Das können die Deutschen wirklich nicht. Denn es geht eben nicht so einfach wie: "Komm, wir nehmen zwei Schönheitschirurgen und mehrere Brüste." Darum geht es auch bei "Nip/Tuck" nicht. Das sind ausgefeilte, wirklich berührende Probleme.

STANDARD: Frauen sind bei „Nip/Tuck“ nur Objekte, lautet ein beliebter Vorwurf.

Kuttner: Das sehe ich nicht so. Klar gibt es da immer die Statistinnen, die neue Brüste bekommen. Aber bei "Six Feet Under" stirbt auch immer jemand. Das ist doch nur das Gerüst der Serie. Was mich viel mehr nervt, ist, dass sich auch das nur in diesem schönen und reichen Umfeld abspielt. Dass da jeder eine designte Wohnung hat und man natürlich heiße Karren fährt.

STANDARD: Würden Sie gerne in einer Serie mitspielen?

Kuttner: Ich zweifle an meinen schauspielerischen Fähigkeiten. Ich hätte da eher Angst. Ich weiß auch nicht, wie man Drehbücher liest, wie man erkennt, ob sie gut oder schlecht sind. Wenn man davon keine Ahnung hat, kann man nicht einschätzen, ob der Film nicht absolut schrecklich wird. Ich würde aber jederzeit bei den "Gilmore Girls" mitspielen.

STANDARD: Oder am OP-Tisch von "Nip/Tuck"?

Kuttner: Ja, und jederzeit als Tote bei "Six Feet Under"! (Von Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe/Album, 9./10.9.2006)