Der Hopfen stammt aus der Familie der Cannabaceae und ist mit dem Hanf verwandt. Im Bier ist er für das bittere im Geschmack zuständig. In Österreich wird er noch im Mühlviertel, in der Südsteiermark und im Waldviertel angebaut. Im Bild: Die Dolden (Früchte) werden maschinell von der Rebe gezogen

Foto: Szemeliker
St. Ulrich - Im klassischen griechischen Tragödienstoff gibt es die Figur des "Greises", der "Wissensspeicher", der die Jungen berät und sie auch oft maßregelt, wenn der Tatendrang mit ihnen durchgeht. In der "Muppet Show" übernahmen die Logengreise Statler & Waldorf die Rolle der Kommentatoren. Und bei heimischen Vereinen gibt es den "Ehrenobmann". Er darf wie alle verdienten Alten die Wahrheit sprechen, auch wenn sie unangenehm ist.

Josef Engleder (78), Ehrenobmann der Hopfenbaugenossenschaft Mühlviertel, hat die reifen Dolden "noch mit der Hand" von den Reben gezogen, sagt er, neben der Maschine stehend, die das nun für ihn erledigt. "Es kommen keine Jungen nach", sagt er weiters. Und: "Zahlt's uns mehr. Der Ölpreis steigt ja auch!" Daneben steht der Obmann des Brauereiverbandes, Brau-Union-Österreich-Vorstandschef Markus Liebl. Er versucht einer Gruppe Journalisten aus der Stadt die Struktur des heimischen Hopfenanbaus zu erklären: 120 Hektar würden im Mühlviertel bebaut. "Geh, so vül sans gor nimmer", sagt dazu der Ehrenobmann.

Minister auf Visite

Zuvor war Landwirtschaftsminister Josef Pröll, etwas wahlkampfgestresst, auf Kurzvisite im malerischen Neufelden, dem Zentrum der Hopfenkultur im Mühlkreis, angereist. Er pries die kleinbäuerlichen Strukturen und die funktionierende Zusammenarbeit mit dem Brauereiverband (dieser hat Abnahmeverträge mit den Hopfenbauern, die "rollierend", also regelmäßig für einen Horizont von drei Jahren, erneuert werden).

Der aktuelle Obmann der Hopfenbauern, Stefan Schütz, forderte vom Minister gleich einmal coram publico mehr Geld. Und zwar aus dem "Umweltprogramm" der Regierung (früher "ÖPUL"), für das kürzlich ein Rahmen von 527 Millionen für die Jahre 2007 bis 2013 genehmigt wurde (das ganze unter der Annahme, dass die nächste Regierung die Kofinanzierung bereitstellt, Anm.). "Wir verlieren Ertrag, wenn wir das ganze Jahr begrünen." Der Minister verspricht ein Gespräch. In einem ebensolchen mit dem Standard sagt er dann: "Wir müssen für Brüssel genau auflisten, wofür wir Umweltförderung hergeben. Und hier geht es eben um die Reduzierung der Nitratbelastung des Bodens. Wenn diese nicht gegeben ist ..." "... wollen die Bauern aber trotzdem das Geld", ergänzt der Autor dieser Zeilen. Der Minister blickt nach oben und sagt: "Mein tägliches Geschäft ..."

Indessen wird der Brauereiverbandsobmann wieder vom Hopfenbauerngenossenschafts-Ehrenobmann unterbrochen. Liebl: "40 Prozent des Hopfenbedarfs der österreichischen Brauereien stammen aus heimischen Anbau." Engleder: "Aber geh ..." Liebl: "Glaub mir, lieber Herr Ehrenobmann, ich weiß das."

Keine Erhöhung seit 1990

Laut dem aktuellen Obmann hätten sich die Einkünfte der Hopfenbauern seit dem Jahr 1990 nicht mehr erhöht. Liebl erklärt den Weltmarkt: Die amerikanischen Hopfenbauern können mit ihren Flächen Hopfenextrakt herstellen, der die Preise für das gepresste Hopfen-Granulat aus Österreich weit unterbietet.

Der Bürgermeister von St. Ulrich, Alfred Allerstorfer, Hopfenbauer und Betreiber des engagiert-rührig gemachten Hopfenbau-Museums, setzt angesichts dessen ganz auf Erlebnis- und Gastronomie (am kommenden Sonntag steigt übrigens ein Fest zum Ende der Ernte). Durch das Museum führt er selbst mit Headset-Mikrofon, bevor die Tour durch die Welt des Hanf-Verwandten mit Powerpoint- und Video-Präsentation abgeschlossen wird. Dann geht's ab ins Wirtshaus, die "Hopfen-stubn" vis-à-vis: Michaela Allerstorfer serviert deftige Ripperl, Kraut und ein halbes Dutzend Biere aus der Region. "Vielleicht bestellen die Leute nach einem Besuch bei uns nicht mehr einfach: a Bier." Und schätzen den Wert des Hopfens. Was den Ehrenobmann sehr freuen würde. (Leo Szemeliker, DER STANDARD Printausgabe, 09./10.09.2006)