Herr Helmut Elsner ist leicht mit einem arroganten Unsympathler zu verwechseln, er lebt in einem Penthouse und in einer Villa in Südfrankreich und er hat die Bawag zweifelsfrei in den Abgrund geführt.

Dennoch wollen wir uns hier unbeliebt machen: Das allgemeine "Endlich!" über seine Verhaftung erzeugt ein gewisses Unbehagen. Alle sind so glücklich darüber sind, dass ein reicher Mann endlich "eing'spirrt" wird, nicht mehr auf freiem Fuß Golf spielen darf, etc. Entspringt das einer Sorge um Aufklärung und Gerechtigkeit - oder einem Straf- und Rachebedürfnis?

Warum wird Elsner erst jetzt verhaftet? "Der Tatverdacht hat sich erhärtet", sagt die Staatsanwaltschaft. Wird so sein, ist von hier aus schwer zu überprüfen. Außerdem bestand "Fluchtgefahr". Das Ticket nach Rio war also schon gelöst? Das nicht, sagt die Staatsanwaltschaft, aber Elsner wollte sich weiteren Vernehmungen entziehen, indem er in Frankreich blieb.

Klingt plausibel, aber umgekehrt macht Elsner geltend, er habe schwere gesundheitliche Probleme. Das musste ja kommen, erwidern Skeptiker. Aber Elsners Anwalt Wolfgang Schubert macht geltend, dass bei Elsner mittels eines Herzkatheders, einer nicht ungefährlichen Prozedur, eine Verengung eines Herzkranzgefäßes festgestellt wurde (außerdem eine Verengung der Halsschlagader). Überdies sei Elsner seither (21. August) nicht selbst Auto gefahren, man habe ihn also nicht beim fröhlichen Herumfahren beobachten (und fotografieren) können.

Die Justiz müsste all das genau überprüfen, wenn sie - laut Ministerin Gastinger - Elsner wegen der Aussage zweier Journalisten verhaftet.

Entscheidend dafür war laut Sprecher der Staatsanwaltschaft der "persönliche Eindruck der Journalisten", Elsner sei durchaus gesund. Der Reporter und der Fotograf haben ihren Job getan, aber sie sind keine Herzspezialisten. Man kann auch mit Herzkranzverengung herumrennen, es gibt eben "nur" ein erhöhtes Risiko.

Die Staatsanwaltschaft hat nach eigener Angabe keine genauen medizinischen Befunde von Elsner vorliegen. Der 71-jährige Elsner könnte, wenn er tatsächlich ein ernstliches Herzproblem hat (und eine Coronarverengung ist potenziell ein solches), hier eine entscheidende Unterlassung begangen haben.

Laut Staatsanwaltschaft kann allerdings in Österreich theoretisch auch ein Schwerkranker in U-Haft genommen werden, in der Justizanstalt Josefstadt gäbe es eine ausgezeichnete Station. Da das offenbar auch analog für Frankreich gilt, ist die Tatsache, dass Elsner jetzt in ein Marseiller Gefängnis eingeliefert wurde, nicht als Indiz zu werten, dass er kein Risikofall ist - er kommt dort eben auf die Krankenabteilung.

Vor zwanzig Jahren waren alle Medien voll einverstanden damit, dass der damalige Präsident der Industriellenvereinigung wegen einer Verwicklung in den AKH-Skandal wochenlang in U-Haft genommen wurde. Alle (auch ich) lobten die "mutige, unabhängige Untersuchungsrichterin", die die Haft für den alten Herrn beantragt hatte. Sie hieß Helene Partik-Pablé, stellte sich wenig später als engagierte Parteigängerin der FPÖ heraus und machte auf Grund ihrer medialen Bekanntheit politische Karriere bis heute.

Der Staatsanwaltschaft soll nichts unterstellt werden. Die aufgewühlte Öffentlichkeit jedoch ist daran zu erinnern: Die Verdachtsgründe gegen Elsner haben "Untreue" und "Bereicherung" zu lauten, nicht "Provozieren durch Reichtum"; und für einen Haftgrund reicht "Recht g'schieht ihm!" nicht aus. (DER STANDARD Printausgabe 15.09.2006)