Vent/Vernagt - Es war am 19. September 1991 kurz nach Mittag, als das Nürnberger Ehepaar Erika und Helmut Simon beim Abstieg vom Hauslabjoch zur Similaunhütte in einer Geländemulde in knapp über 3200 Metern den "Ötzi" fanden. Natürlich hatten die Simons, als sie eine Stunde später auf der Similaunhütte den Fund meldeten, keine Ahnung von dessen wissenschaftlicher und medialer Bedeutung. Sie sagten nur, "da ist etwas", erinnert sich Luis Pirpamer, Bergführer, Venter Hotelier und Besitzer der Similaunhütte, der mit seinem Sohn Markus rasch zur Fundstelle aufstieg.

Was die Simons gesehen hatten, erwies sich als Hinterkopf und Schulter einer mumifizierten Leiche. Aufgrund der gefundenen Ausrüstungsgegenstände datierten die Innsbrucker Experten das Alter zunächst mit 4000 Jahren. "Da werden sie wohl wieder übertreiben, dachte ich mir", erzählt der nun 69-jährige Luis Pirpamer 15 Jahre danach, während er an der Fundstelle zeigt, wo und wie die Gletscherleiche dagelegen war. In der inzwischen fast eisfreien Felsmulde sind die Fundorte der Ausrüstungsgegenstände wie Beil, Köcher und Pfeile mit roten Kreisen markiert.

Nach wie vor beschäftigt Pirpamer die Debatte, auf welchem Staatsgebiet die Fundstelle liegt. Der Friedensvertrag von St. Germain hatte die Wasserscheide zwischen Nord- und Südtirol als Grenze fixiert. Bei der konkreten Festlegung der Grenze wurden dann aber Punkte an markanten Stellen festgelegt und mit geraden Linien verbunden. Das hat zur Konsequenz, dass die Fundstelle ein paar Meter auf italienischem Gebiet liegt, obwohl die Entwässerung eindeutig Richtung Vent und damit zum Inn erfolgt.

Pfeilspitze

Erst seit einem Jahr weiß man, dass der 5300 Jahre alte "Ötzi" mit einem Pfeil erschossen wurde. Der Bozener Ethnologe Eduard Egarter-Vigl hat bei einer Mehrschichtcomputertomografie herausgefunden, dass "die Pfeilspitze das linke Schulterblatt durchschlug und die Hauptschlagader getroffen hat".

Luis Pirpamer hat dennoch Zweifel: "In den sieben Jahren in Innsbruck wurden am Ötzi über 200 radiologische Untersuchungen durchgeführt und da soll eine Pfeilspitze übersehen worden sein?"

Inzwischen gibt es rund um Vent und Obergurgl archäologische Wanderwege, die etwa auf Rastplätze und Unterstände aus dieser Zeit verweisen. In der Region beschäftigen sich das Ötzidorf in Umhausen (Freilichtmuseum) und der Archeoparc in "Unsere Frau im Schnalstal" (Ausstellung und Freilichtmuseum) mit den durch die Ötzi-Forschung gewonnenen Erkenntnissen über das Leben in der Region vor mehr als 5000 Jahren. Die Gletscherleiche selbst wird seit 1998 im Südtiroler Museum für Archäologie ausgestellt. (Hannes Schlosser/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18. 9. 2006)