Ohne Identität und Geschichte
Gerade die Erinnerung ist es, die sich Alzheimerpatienten verschließt. Mit fortschreitender Krankheit nimmt die Leistung des Gedächtnisses immer mehr ab, können sie Informationen aus der Umgebung nicht mehr einordnen. Langsam entgleiten ihnen Identität und Geschichte, bis sie den Verstand ganz verlieren.
Alzheimer ist nicht heilbar
Hundert Jahre nachdem der deutsche Psychiater Alois Alzheimer die tückische Krankheit erstmals beschrieben hat, weiß man noch nichts Genaues über die Ursachen. Medikamente können eine Teilverbesserung der Symptome bewirken, heilbar ist Alzheimer heute allerdings nicht.
"Es gibt eine Reihe von Ansätzen in der Alzheimerforschung", erklärt Reinhold Schmidt, Universitätsprofessor für Neurologie und Vorsitzender der Österreichischen Alzheimergesellschaft, "bis zum wirklicher Durchbruch wird es aber auf jeden Fall Jahre dauern."
Düstere Prognosen
Derzeit leiden in Österreich etwa 100.000 Menschen an Demenz, über zwei Drittel davon an Alzheimer. Bis 2050 wird sich die Zahl der Demenzkranken auf 230.000 erhöhen, prognostiziert Johannes Wancata, Professor für Psychiatrie an der Universitätsklinik Wien. Und damit spielt Alzheimer auch in die aktuelle Pflegedebatte hinein.
Enorme Pflegebelastung
Etwa 80 Prozent der Alzheimerkranken in Österreich werden zu Hause gepflegt. "Grundsätzlich", sagt Wancata, "ist es sinnvoll, die Patienten möglichst lange zu Hause zu pflegen. Man darf aber die Angehörigen nicht vergessen." Pflegende stehen oft unter extremen Belastungen, nicht selten erkranken sie selbst an Depressionen." Hilfe von außen sind daher unerlässlich", betont Wancata.
Unruhe und Aggessionen
Denn bei der Pflege tauchen viele praktische Probleme auf. Typisch bei Alzheimer sind etwa die Unruhe und "Davonlaufen". "Hier kann es schon helfen, einen Drehknopf statt einer Türklinke anzubringen", erklärt Wancata. Wie aber geht man mit den häufigen Aggressionen der Kranken um? Wie reagiert man, wenn der kranke Ehemann einen vor die Tür setzen will, weil er glaubt, eine wildfremde Person vor sich zu haben?
Selbsthilfegruppe für Angehörige
Eine wichtige Rolle bei der Bewältigung misst Wancata den Selbsthilfegruppen für Angehörige bei, wo pflegende Angehörige Erfahrungen austauschen können. Etwa 30 Gruppen gibt es inzwischen in Österreich, seit mit "Alzheimer Angehörige Austria" 1990 in Wien die erste dieser Art gegründet wurde.
Konzept Tagesstätte
Entlastung bieten auch Tagesstätten. Zwei Zentren der Caritas Socialis sind auf die sehr betreuungsintensiven Alzheimerpatienten spezialisiert. Die Gruppen sind kleiner als in anderen Tageszentren. Neben Assistenz werden hier bei Bedarf auch Pflegehandlungen ausgeführt. Um ein Zentrum herum wurde ein Spazierweg in Form einer Endlosschleife angelegt, damit die Patienten ihren Bewegungsdrang ausleben können, und sich nicht durch Weglaufen gefährden.
Begrenzte Aufnahme
Spezielles Augenmerk wurde auf die Beleuchtung gelegt, da Alzheimerkranke oft Angst vor Schatten haben. Zwischen ein und fünfmal in der Woche können Betroffene dorthin gebracht werden. Die Angehörigen können so ihrer Arbeit nachgehen, und der Kranke muss nicht in einem Heim untergebracht werden. "Diese Mischform aus Betreuung in einer Institution und zu Hause wird sehr gern angenommen", sagt Sabina Dirnberger von Caritas Socialis. Allerdings könnten nicht immer alle Interessenten aufgenommen werden, da die Plätze begrenzt seien.
Angebot in der Stadt
Das Angebot an Tageszentren beschränkt sich vor allem auf die Stadt. In Bad Ischl in Oberösterreich versucht der Verein M.A.S. (Morbus Alzheimer Syndrom) diesem Manko entgegenzuwirken. Neben Beratung und Betreuungsangeboten für Kranke gibt es Angehörigengruppen. "Jede Familie hat spezielle Bedürfnisse, auf die wir versuchen, flexibel einzugehen", erklärt Stefanie Auer, wissenschaftliche Leiterin von M.A.S. Es gibt daher auch die Möglichkeit, dass ein M.A.S. Trainer direkt ins Haus kommt.
Politisches Back-up
Auer wünscht sich mehr gesellschaftlich anerkannte Solidarität mit den Kranken und Angehörigen: "Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass es sie ja genauso treffen kann, indem ihre Eltern oder Partner erkranken oder später einmal sie selbst." An der aktuellen Pflegedebatte kritisiert Auer, dass sie viel zu undifferenziert geführt werde, was Menschen mit Demenz betrifft.
Begleitung und Betreuung
Diese und deren Angehörige bräuchten spezielle Angebote. Personen am Anfang der Krankheit benötigten vor allem Begleitung. Gleichzeitig bräuchten Angehörige Anleitung und langfristig angelegte Beratungsangebote. Pflege werde erst im Endstadium benötigt.
Pflegebedarf wird steigen