Wien - Obwohl in vielen Ländern Ost- und Südosteuropas der Privatisierungsprozess bereits weitgehend abgeschlossen ist, hält der Boom bei Mergers & Acquisitions (M&A) in der Region auch heuer an. Allein im ersten Halbjahr wurden M&A-Projekte mit einem Gesamtvolumen von 50 Mrd. Dollar (39,5 Mrd. Euro) angekündigt. Dabei nehme der Anteil so genannter "Megadeals" im Wert von über 100 Mio. Dollar zu, erklärte Martin Schwedler, Vorstand der Raiffeisen Investment AG (RIAG), am Dienstag bei einem Pressegespräch in Wien.

2005 entfielen rund 15 Prozent (277 Transaktionen) auf derartige "Megadeals". Die RIAG, die als 100-Prozent-Tochter der Raiffeisen Centrobank (RCB) zur Raiffeisen Zentralbank (RZB) gehört, sieht ihren Marktanteil als M&A-Spezialist in Südosteuropa bei über 10 Prozent. In ganz Osteuropa seien mehr große internationale Player aktiv, daher sei dort der Marktanteil der RIAG geringer. "Wir arbeiten derzeit an einem Volumen von rund 90 Mrd. Euro", sagte Schwedler, das seien etwa 100 Transaktionen. Die einzelnen Transaktionsvolumina bewegen sich zwischen 30 Mio. und 2,5 Mrd. Euro. Mehr als 250 Transaktionen hat die RIAG nach eigenen Angaben bereits abgeschlossen. Die Erfolgsprämien bewegen sich laut Vorstand Wolfgang Putschek zwischen 1 und 3,5 Prozent, abhängig vom Transaktionsvolumen.

Serbischer Erdölkonzern vor Privatisierung

Zu den bevorstehenden Highlights aus der Sicht der RIAG zählen in nächster Zeit die Privatisierung des serbischen Erdölkonzerns NIS (Naftna industrije Srbije) und der bosnisch-serbischen Telekomgesellschaft Telekom Srpske. In Rumänien werde in den nächsten Wochen ein Generika-Hersteller auf den Markt kommen. Ein Fünftel des Gesamtvolumens bei M&A entfällt auf Privatisierungen. "Allerdings flacht die Privatisierungswelle in einigen Ländern, wie in Ungarn und der Slowakei, schon deutlich ab", sagte Schwedler. Auch Rumänien, Bulgarien und Serbien seien schon "ziemlich ausprivatisiert".

Österreich unter den Top-Ländern

Bereits im vergangenen Jahr wuchs das M&A-Volumen in Osteuropa um 75 Prozent auf mehr als 91 Mrd. Dollar - das ist aber nicht einmal ein Zehntel des Transaktionswertes in den USA oder in ganz Europa. "Gemessen an der Zahl der Transaktionen kann Österreich in Ost- und Südosteuropa mit den Top-Ländern mithalten und belegt den dritten Platz hinter den USA und Großbritannien", sagte Schwedler.

Als weiterer Trend zeichnet sich laut Putschek ab, dass Private Equity Funds verstärkt nach Osteuropa drängen. "Viel Geld jagt relativ wenige Targets. Für uns ist dieser Trend sicher gut", erklärte Putschek - die Anlagehorizonte der Fonds würden drei bis maximal fünf Jahre betragen, danach kämen die Unternehmen wieder auf den Markt. Ein Viertel aller M&A-Transaktionen in der CEE-Region wird durch Private Equity Funds getrieben. In Osteuropa gebe es gegen reine Finanzinvestoren kaum solche Vorbehalte wie im Westen, etwa beim BAWAG-Verkauf.

Russland wichtigster Markt

Russland war 2005 mit einem Anteil von 57 Prozent am Gesamtvolumen der wichtigste M&A-Markt in der Region. Die durchschnittliche Transaktionsgröße lag dort bei 174,5 Mio. Dollar. Betrachtet man die Gesamtinvestitionen der letzten fünf Jahre, liegt Polen mit einem Anteil von 19,7 Prozent noch vor Russland (16,7 Prozent) und Tschechien (14,4 Prozent). Jährlich flossen durchschnittlich 17,8 Mrd. Euro in die acht osteuropäischen EU-Länder - nach Russland flossen im Zeitraum 2001 bis 2005 pro Jahr 4,4 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Nach China flossen jährlich knapp 50 Mrd. Euro an ausländischen Investments.

Nach Branchen betrachtet sieht Putschek derzeit im Energiesektor kurz- und mittelfristig das größte Potenzial. "Genug M&A-Phantasie" gebe es auch im Pharmasektor und bei Flughäfen. "Das wird nach Bratislava nicht aufhören, sondern weiter gehen", ist Putschek überzeugt. (APA)