Screenshot: Royal Mail
London - Keine einzige Falte, das Haar voll und wellig, den schlanken Hals ziert eine Perlenkette, die Krone passt perfekt. Millionen Briten werden Tag für Tag mit dem eleganten Frauenkopf konfrontiert, jedes Mal, wenn sie Briefmarken auf Kuverts oder Karten kleben.

Schön ist er, der Kopf, keine Frage. Aber auch irgendwie schönfärberisch. Auf den Marken kommt Elizabeth II, die Königin, als junge Lady in voller Blüte daher, obwohl sie in Wahrheit 80 Jahre alt ist.

Queen statt Nation

So wie so, britische Postwertzeichen haben einen ganz besonderen Charme. Sie tragen keinen Landesnamen, kein "United Kingdom", kein "Great Britain", nichts. Die Queen reicht als Erkennungsmarke. Meist sieht man sie groß, stets im Profil. Falls eine Sonderserie mal Schlachtschiffe oder Strandklippen zeigt, taucht ihr gekröntes Haupt immer noch in einer Ecke auf. Aber das wird sich ändern, weshalb nostalgische Gemüter erzürnt auf die Barrikaden steigen.

Am Mittwoch führt die Post eine wunderbar basisdemokratische Methode ein, nämlich den Dreh, dass man sich seine Briefmarken selbst drucken kann. Der Kunde sitzt zu Haus vorm Computer, klickt sich mit der Maus durchs Menü, gibt die Nummer seiner Kreditkarte ein, dann sollte es funktionieren. Man schiebt einen Aufkleber in seinen Drucker, und auf den wird die elektronisch erworbene Marke sichtbar.

Praktisch mag das Procedere sein, schön ist das Endprodukt nicht. Es wirkt wie ein zu klein geratenes Kreuzworträtsel, ein Labyrinth aus schwarzen und weißen Karos. Was vor allem fehlt, ist das Konterfei der Königin.

"Die Royal Mail"

"Ein Jammer, dass ausgerechnet die Royal Mail so etwas macht", protestiert Ashley Lawrence, ein ausgewiesener Kenner, der zum honorigen Kreis der Royal Philatelic Society zählt. Die Royal Mail!

Dem Namen nach ist sie königlich, die britische Post, auch wenn man ihr das in der Praxis nicht immer anmerkt. Die Warteschlangen, die sich durch ihre altmodischen Ämter winden, sind oft noch länger als die an den Bushaltestellen. Intakte Automaten sind so selten wie englische Fußballsiege. Eigentlich wunderbar, dass die Mail auf die "Druck's-dir-selber-Idee" kam.

Traditionsbruch

Nur: Seit 1840 der Postmeister Rowland Hill die Briefmarke erfand, prangt das Haupt einer Königin oder eines Königs darauf. Seitdem hat es nie jemand gewagt, die Tradition infrage zu stellen. Und nun das.

Die Marke aus dem Internet sei ja wirklich ein Sprung nach vorn, gibt Andrew Rosindell zu; er ist Unterhaus-Abgeordneter der Konservativen Partei. "Aber wieso kann man den modernen Ansatz nicht mit Gewohnheiten verknüpfen, die tief eingebettet sind ins Leben unserer Nation?" Neuzeitliches Gerät sollte doch wohl in der Lage sein, den Kopf der Regentin in solcher Qualität zu produzieren, dass es nicht als Majestätsbeleidigung gilt. Sagt Mister Rosindell.

Die Debatte kommt noch richtig in Fahrt, darauf darf man wetten. Am gelassensten bleibt die Queen selbst. Ja doch, die Postbeamten hätten sie durchaus nach ihrer Meinung gefragt, lässt Elizabeth II einen Sprecher verkünden. Nein, sie habe nichts gegen die neue Erfindung, im Gegenteil: "Das klingt, als wäre es eine logische Entwicklung der Technik."

Na bitte, Her Majesty geht mit der Zeit. Neulich hat man sie auch schon mit einem Mobiltelefon gesehen. (Frank Herrmann, DER STANDARD Printausgabe, 20.09.2006)