Prag - Der tschechische konservative Premier Mirek Topolanek sorgte mit seiner Aussage für Aufsehen, wonach seine Minderheitsregierung auch in dem Fall amtieren könnte, wenn sie bei der bevorstehenden Vertrauensabstimmung in dem 200-köpfigen Abgeordnetenhaus nur 100 Stimmen erhalten würde. Dies ist ausgerechnet genau jene Zahl der Stimmen, die die Topolaneks Demokratische Bürgerpartei (ODS), die christdemokratische Volkspartei (KDU-CSL) und die Grünen, die bereits im Juli, allerdings erfolglos, ein Dreier-Koalitions-Kabinett bilden wollten, zusammen erreichen könnten.

"Es gibt eine Interpretierung der Verfassung, wonach die Regierung keine Demission einreichen müsste", sagte Topolanek gegenüber dem Internet-Server Aktualne.cz auf eine Frage, was er tun werde, wenn sein Kabinett in der für Anfang Oktober geplante Vertrauensabstimmung genau 100 Stimmen erhalten würde. Laut Topolanek müsste seine Regierung nur in dem Fall zurücktreten, wenn sie lediglich von 99 Abgeordneten (bei Präsenz aller 200 Abgeordneten) unterstützt würde.

Verständnis dafür fand Topolanek auch bei seinem Parteikollegen und dem Chef des verfassungsrechtliches Ausschusses des Unterhauses, Marek Benda. "Das ist eine der möglichen Interpretierungen, die davon ausgeht, dass die Regierung verpflichtet ist, die Demission einzureichen, wenn ihr Antrag ums Vertrauen abgelehnt wird", sagte Benda der Tageszeitung "Pravo". Unter dem Begriff "Ablehnung" versteht diese Interpretierung nicht 100, sondern 101 Nein-Stimmen.

Diese Auffassungen stoßen unterdessen auf scharfe Kritik der Opposition und mehrerer Rechtsexperten. Der Chef der Sozialdemokraten (CSSD) Jiri Paroubek meinte, Topolanek sei ratlos. "Ich denke, dass er am Ende ist und dass er es so peinlich vertuscht", so Paroubek. Wenn das Topolaneks Kabinett nicht 101 Stimmen (bei voller Präsenz der Abgeordneten) erhalte, müsse es die Demission einreichen.

Auch der amtierende KDU-CSL-Chef Jan Kasal ist mit Topolanek nicht einverstanden. "Eine Regierung, die das Vertrauen nicht erhalten hat, muss zurücktreten", sagte Kasal. Die Kommunisten (KSCM) betrachten die von Topolanek erwähnte Interpretierung des Grundgesetzes als unsinnig. "Wenn sie so etwas spielen wollen, dann ist das unglaublich", meinte der KSCM-Chef Vojtech Filip.

Auch der Verfassungs-Rechts-Experte Vaclav Pavlicek betonte, wenn Topolanek nicht jene 101 Stimmen bekomme, müsse er mit seiner Regierung nach der Vertrauensabstimmung zurücktreten. Es handelt sich um dieselbe Situation wie bei der Billigung der Gesetze - man könne nicht behaupten, dass ein Gesetz angenommen werde, wenn dafür und dagegen dieselbe Anzahl von Parlamentariern votiert habe. "Das geht nicht. Immer muss es mehr jener geben, die das Gesetz unterstützen", so Pavlicek.

Die Vertrauensabstimmung könnte voraussichtlich am 4. Oktober stattfinden. Die tschechischen Medien gehen davon aus, dass die Topolaneks Minderheitsregierung, die aus neun ODS-Mitgliedern und sechs Parteilosen besteht, diese nicht überstehen wird, weil die CSSD und KSCM, die über insgesamt 100 Stimmen im Unterhaus verfügen, bereits erklärt haben, sie würden das Kabinett weder unterstützen noch dulden.

Topolanek gestand gegenüber Aktualne.cz, dass er noch keine Mehrheit für sein Kabinett gesichert habe. Sollte es bei der Vertrauensabstimmung scheitern, müsste es zurücktreten und Staatspräsident Vaclav Klaus müsste einen neuen Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. (APA)