Peter Cerwenka

In Kollege Konrad P. Liessmanns geistreich geschriebenem Bildungslamento "Wissen ist Macht, offenbart aber auch Ohnmacht" (Beitrag zur Serie "Atlas des 20. Jahrhunderts", 7. 4. 99) geht mir etwas Wichtiges ab. Zwar kann ich mich uneingeschränkt seinen geschliffen formulierten Analysen anschließen, aber es schleicht sich - nach Verglühen des Liessmannschen Sprachfeuerwerks - die bange Frage ein: Wo ist der Ausweg?

Ergänzend zu Liessmann möchte ich daher gerade in der selbsterlebten Gegenüberstellung von universitärer Lehrtätigkeit und vorangegangener, privatwirtschaftlicher Forschungstätigkeit zwei Aspekte zur Ortung des Höhlenausgangs beisteuern:

1. Es gibt keine klar definierten (ja offenbar kaum definierbaren), mehrheitlich akzeptierten Bildungsziele, und selbst wenn sie vereinzelt einbekannt werden, wechseln sie so rasch, daß weder Lehrpersonal noch sonstige Ressourcen dem Wechsel folgen können (oder wollen). Indiz dafür: Seit ich in den 60er Jahren mit Universitäten zu tun habe (erst als Lernender, dann als von außen Kooperierender, schließlich als Lehrender), wird dort permanent reformiert. Kaum ist z. B. ein Studienplan verabschiedet, wird schon an seinem Nachfolgemodell herumlaboriert. Sprach man früher vom Wandel der Werte, so spricht man heute vergötzend vom Wert des Wandels an sich.

2. Als Folge der fehlenden Ziele kann es auch keinen meßbaren Erfolg geben. Ich frage mich oft, ob ich ein guter oder schlechter Lehrer bin, und stelle resigniert und auch verstört fest, daß es dafür keine kurzfristig wirksame, objektivierbare Kontrollmöglichkeit gibt. Alle die modischen, sich in Abzählbarkeiten erschöpfenden Evaluationsmaßstäbe sind nach meiner Auffassung untauglich: Weder der Zustrom zu Hörsälen noch die Anzahl oder Auflagenhöhe von Publikationen noch massenhaft in Fragebögen hochbewertete Lehrveranstaltungen.

Ich kenne Kollegen, die das vor den Mund gehaltene Mikrophon eines Massenmediums für ein Grundnahrungsmittel halten und allwöchentlich in der Boulevardpresse aufdringlich nach Populismus riechende Kolumnen absetzen. Und ich kenne auch Kollegen, die sich an all dem nicht beteiligen, statt dessen aber alle paar Jahre einen wirklich richtungsweisenden, (mir!) neue Einsichten vermittelnden Beitrag hoher Erklärungskraft in einer Fachzeitschrift mit geringer Auflage publizieren und ansonsten ohne mediales Getöse verläßlich ihren Lehrverpflichtungen nachgehen. Wer soll solche unterschiedlichen "Bildungsprodukte" anhand welcher Kriterien allgemein akzeptiert vergleichend bewerten, wer aus diesem Vergleich Konsequenzen für wen ziehen?

In einer Marktwirtschaft definiert und regelt sich Erfolg über die "unsichtbare Hand" des Marktes automatisch, aber da es hierzulande gelungen ist, im Bildungswesen zielstrebig auch jedes letzte Fünkchen von Markt auszurotten, und da an dessen Stelle (in Abhängigkeit von verfügbaren Finanzmitteln) ein chaotisches, buntschillerndes Lavieren getreten ist, lassen sich überhaupt keine Beurteilungskriterien aufstellen.

Ich persönlich habe mir als einziges, dürftiges und leider erst mit erheblichem Zeitverlust prüfwirksames Erfolgskriterium für Lehrende folgendes zurechtgelegt: Beobachte, was nach einigen Jahren aus den Studierenden geworden ist, die durch deine Schule gegangen sind, und orientiere dich daran.

Ohne Beherzigung der beiden genannten Aspekte ist jede weitere Debatte über Bildungsqualität ziemlich müßige Sandkastenspielerei; im Falle von Liessmann allerdings auch eine intellektuell anregende, nach dem Motto: Vermarkte das Klagen, ohne zu leiden.

Prof. Dr. Peter Cerwenka ist Vorstand des Instituts für Verkehrssystemplanung an der TU Wien.