Ducati Sport 1000 oder: auf das Praktische wird gepfiffen.

foto: werk

Draußen regnet es, dass die Hälfte genug wäre. Vor mir steht ein Kollege. Nein, ein Konkurrent. Sie wissen schon, noch so ein Schreiberling. So ein Motorrad-Journalist. Nur andere Baustelle halt. Er ist durch den Regen gefahren, um mir die Ducati Sport zu bringen. Dafür will er die Paul Smart mitnehmen. Aber nicht gleich. Zuerst möchte er noch einen Kaffee, wenn’s leicht geht. Klar, geht leicht.

Irgendwie ist es ungut, dass ich dem armen, nassen Tropf nun einen grauslichen Automatenkaffee geben muss, der nun wirklich eher britische als italienische Wurzeln hat. Mehr Tee als Kaffee halt. Anderseits denk ich mir, dass er eh Konkurrenz ist. Der Konkurrent muss nicht verwöhnt werden.

Ich fratschl ihn aus, wie ihm die Sport denn so gefallen hätte, während er am Plastikbecher sein Gesicht verzieht. Er war recht angetan, eh klar. "Und die Spiegel?" versuche ich das Gespräch vom Kaffee abzulenken. Er legt gleich mit einer lustigen Geschichte los, von einem tobenden Autofahrer, nur weil er mit den Ducatispiegeln dessen Autospiegel leicht gestreift hatte.

Bei der Ducati Sport 1000 ist das nämlich so: die hat unendlich geile Spiegel. Oder sagen wir so: die Ducati hat Lenkerendgewichte, die es einem erlauben, den Hergebrannten noch einmal zuzuzwinkern, während sie einen technischen Defekt vortäuschen.

Schauen ja unendlich edel aus, die Dinger, sind aber im Stadtverkehr hinderlicher als ein fehlendes Vorderrad. Mein Fazit? Muss ich haben. Eh klar. Auf das Praktische wird gepfiffen. Schön muss sein.

Und bis auf die Spiegel und die Verkleidung sind die Paul Smart und die Sport 1000 baugleich. Na ja, fast halt. Weil die Paul Smart hat Öhlins-Komponenten verbaut. Die Sport 1000 nicht. Die trägt kein schwedisches Gold zur Zierde. Und wissen S’, was seltsam ist? Die Sport lässt sich einfacher fahren als die Paul Smart. Das serienmäßige Fahrwerk aus dem Ducatihaus ist besser als das bestimmt teurere aus dem hohen Norden.

Ist mir ja unerklärlich. So etwas kann es schlicht nicht geben. Ich beginne an mir zu zweifeln. Kenne ich mich so wenig aus? Hab ich null Gespür für Töpfchen und Kröpfchen? Da hilft nur mehr eines. Die wirklich professionelle Meinung einer Kennerin. Nur fällt mir da ad hoc niemand ein. Frag ich also die Frau Lektorin (lieber Notnagel als Sargnagel. Anm. d. Frau Lektorin). Die weiß ja immer Rat.

Gut, sie hat keinen A-Schein, sie ist noch nie selbst ein Motorrad gefahren (Streu nur Salz in offene Wunden! Anm. d. Frau Lektorin), aber sie kann voll gut Risotto kochen und kennt sich perfekt mit Wein und Musik aus. Das wird schon passen, denk ich mir. Und sie hat auch gleich die passende Antwort auf die Frage, warum die schwedische Markenware so abbeißt. Sie schaut mich mit elchgroßen Augen an und sagt schulterzuckend: "IKEA."

>>>Im detailliertesten Detail

Wenn wir gerade bei Sofas sind, auf denen man weder vernünftig sitzen, geschweige denn liegen kann: auf der Ducati hängt man wie auf der Streckbank. Auf den Supersport 1000ern sitzt man nicht so radikal wie auf der Sport 1000. Der Oberkörper wird weit nach vorne und tief runter gezogen. Das ist schon ungewöhnlich, auf einer Nackerten, die ja an und Pfirsich dafür bekannt ist, dass man auf ihr aufrecht sitzt.

Die Fachpresse klagt über Nacken-, Rücken- und Handgelenksschmerzen. Ich hatte keinerlei Probleme. Und wer mich kennt, weiß, dass ich durch mein vorgerücktes Alter öfter beim Physiotherapeuten liege als in der Nacktbar unter der Buddel. Nein, mir taugt die tiefe Sitzposition. Man muss sich nur die Hebel richtig einstellen und mit der Rumpfmuskulatur den Oberkörper halten, anstatt sich auf den Armen abzustützen – dann geht das (du sprichst aber jetzt schon vom Motorrad fahren?! Anm. d. Frau Lektorin).

Was fehlt noch? Die Bremserei: da gibt es nichts zu mosern (sudern! Anm. d. Frau Lektorin). Die Zangen beißen wie die Gelsen die Lektorin im letzten Sommer. Ach ja, auch der Auspuff der Paul Smart unterscheidet sich von dem der Sport – zumindest auf den Pressemotorrädern. Na und? Tut nicht wirklich viel zur Sache. Beide klingen gut und sind dennoch nicht zu laut. Da können weder die Kindsväter schimpfen, weil das Autoradio vom Freds-Frontschürzen-Fiesta lauter ist, noch die Ducatifahrer, weil satten Sound gibt es über das ganze Drehzahlband.

Auch wenn die Paul Smart und die Sport beinahe ident sind, taugt mir die Sport mehr. Ich gebe zu, sie ist unpraktischer, sie ist weniger mystisch, und das hintere Federbein von Sachs schaut billiger aus als jenes von Öhlins. Aber mir ist das alles egal. Die Sport weckt in mir mehr Emotionen. Sie lässt sich besser fahren. Na gut, abgesehen vom Stadtverkehr, weil dort stören, wie gesagt, die Spiegel fürchterlich.

Apropos Spiegel. Ruft mich doch glatt der Importeur der Ducatis an. Also quasi der Eigner. Müssen S’ Ihnen vorstellen. Und wissen S’, was er mir erzählt? Genau. Eine bekannte Geschichte, nur aus einem anderen Blickwinkel. Nämlich aus dem des Autofahrers. Der hat nämlich beim Importeur angerufen. Und hat angeblich geschimpft wie ein Rohrspatz.

Eine Ducati habe den Spiegel seines nigelnagelneuen Autos gestreift. Fahrerflucht. Und a milde Geschwindigkeitsübertretung sei auch dabei gewesen. Das erzählte der Mann dem Importeur – und der mir. Ich lachte nur kurz. Tat kund, dass ich die Geschichte schon kenne und auch weiß, dass nix passiert war. Nicht ein Kratzer am Auto, kein gar nix an der Duc. Hab selber noch nachgeschaut, als ich sie übernommen habe. Der Kollege kann echt grad nur angestoßen sein.

Zwei Stunden später fragt der Importeur noch einmal bei mir nach. Jetzt aber im detailliertesten Detail. Weil der Konkurrenz-Kollege sagt, er kann es nicht gewesen sein.Er fuhr ja um die fragliche Uhrzeit die andere Ducati. Ich war froh darüber, ihm keinen guten Kaffee gegeben zu haben ... wenn er mir jetzt den erbosten Autofahrer umhängen will! Na bitte?! Und wissen S’, wie die Spiegelpantscherlgeschichte endete? Kommen S’ nie drauf. Ich war es. Aber nicht mit der Sport, bei der es nahe liegend wäre, sondern mit der Paul Smart. Sag ich doch. Die Sport ist mir viel lieber. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 20.9.2006)