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Die riesigen Gewächshäuser im Süden Spaniens versorgen Europa mit Tomaten, Paprika, Melonen und Erdbeeren.

Foto: Reuters/Victor Fraile
Madrid - Selbst EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zeigte sich zurückhaltend, als ihn Spaniens konservativer Oppositionsführer Mariano Rajoy (PP) am Mittwoch in Brüssel um ein europäisches Verbot von Massenlegalisierungen illegaler Immigranten bat. Schon seit Wochen versuchen die Konservativen die sozialistische Regierung wegen einer verfehlten Immigrationspolitik innenpolitisch und vor Europa zu diskreditieren. Sie halten dem sozialistischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero vor, durch die Massenlegalisierung von fast 750.000 illegalen Immigranten im vergangenen Jahr eine Art "Rufeffekt" verursacht zu haben, der in diesem Jahr die Ankunft von fast 23.000 afrikanischen Flüchtlingen auf den Kanarischen Inseln provoziert habe.

Tausende Einwanderer legalisiert

EU-Ratspräsident Barroso durchschaute die parteipolitische Strategie und hielt sich mit einer Unterstützung des Antrags zurück. Denn auch die konservative Vorgängerregierung von Premier José María Aznar legalisierte immer wieder Tausende illegaler Einwanderer. Bis zu 1,2 Millionen illegal in Spanien lebende Immigranten wurden in den vergangenen Jahren von sozialistischen wie von konservativen Regierungen in Massenamnestien mit Papieren ausgestattet. Der Grund: Spanien braucht die Immigranten, um wirtschaftlich weiter zu wachsen. Und noch wertvoller sind diese Einwanderer, wenn sie legal sind und in die Staatskassen einzahlen.

Billige Arbeitskräfte

Seit Jahren wächst Spanien so kräftig wie kaum ein zweiter EU-Staat. Gerade in der boomenden Baubranche werden dringend billige Arbeitskräfte gebraucht. Spanien ist das am zweithäufigste besuchte Urlaubsland der Welt. Putzfrauen, Kellner und Gärtner für die Hotelanlagen und Golfplätze werden nötig gesucht. Die Ferienressorts, die an der gesamten spanischen Mittelmeerküste aus dem Boden gestampft werden, sind abhängig von den billigen Arbeitskräften aus Afrika oder Lateinamerika. Auch die andalusischen Großgrundbesitzer brauchen ständig ausländische Arbeiter, um der europäischen Nachfrage nach Tomaten, Paprika, Melonen, Erdbeeren und Orangen nachzukommen. Der spanischen Gewerkschaft zufolge sind rund ein Viertel der Arbeiter auf den andalusischen Feldern und Baustellen ohne Papiere arbeitende Einwanderer.

Niedrige Geburtenrate

Hinzu kommen weitere Probleme: "Spaniens Bevölkerung gehört zur Ältesten Europas, die Geburtenrate ist mit 1,3 Kindern eine der Niedrigsten in der gesamten EU und trotz einer Arbeitslosigkeit von knapp zehn Prozent finden sich für schlecht bezahlte oder harte Jobs wie auf dem Bau, auf den andalusischen Gemüseplantagen oder im Hotel- und Gastronomiegewerbe kaum noch Spanier", erklärt der Wirtschaftsdemograph Rafael Puyol vom spanischen Wirtschaftsinstitut Instituto Empresa. Wie viele illegal Eingewanderte in Spanien arbeiten, kann niemand genau sagen. Die sozialistische Regierung schätzt sie auf eine Million. Die konservative Opposition beziffert die so genannten "Papierlosen" auf mehr als 1,6 Millionen.

"Auch wenn wir dringend Einwanderer brauchen, um unser Wirtschaftswachstum halten zu können, müssen diese legal einwandern. Denn nur so können sie ein geregeltes Leben führen und zahlen auch in die spanischen Sozial- und Krankenkassen ein Gewinn", erklärt Puyol. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Ausländerteil unter den 44,1 Millionen in Spanien lebenden Menschen beläuft sich mittlerweile auf knapp neun Prozent. 2001 waren es nur 3,3 Prozent. 75 Prozent der heute in Spanien lebenden Ausländer wanderten in den letzten fünf Jahren ein. Im vergangenen Jahr registrierte Spanien erstmals die höchste Immigrationsrate sämtlicher EU-Staaten.

Das hat auch seine Schattenseite: Neusten Umfragen zufolge rangiert die Sorge der Bevölkerung über die illegale Immigration bereits vor dem ETA-Terror und der Arbeitslosigkeit. Die Madrider Regierung versucht die Gemüter zu beruhigen und den Konservativen Wind aus den Segeln zu nehmen: "Es wird künftig keine Massenlegalisierungen mehr geben", kündigte Spaniens Vizeministerin Maria Teresa Fernandez de la Vega an.

Deportationen

Auch Spaniens diplomatischen Bemühungen, der illegalen Immigration aus Afrika einen Riegel vorzuschieben, beginnen Früchte zu tragen. In der vergangenen Woche wurden erstmals 420 illegale Flüchtlinge aus dem Senegal in ihre Heimat zurückgebracht. Bisher verweigerten Staaten wie der Senegal, Mali oder Mauretanien die Rücknahme von Landsleuten ohne gültigen Reisepass. Da die meisten illegalen Immigranten genau aus diesem Grund aber keine Papiere bei sich tragen, konnten die spanischen Behörden bisher auch nur fünf Prozent der insgesamt 23.000 Flüchtlinge wieder ausweisen, die seit Anfang des Jahres auf den Kanarischen Inseln gelandet sind. (Manuel Meyer/APA/21.09.2006)