Eine unabhängige Untersuchungskommission bringt die niederländische Regierung zwei Monate vor den Parlamentswahlen in große Verlegenheit: Hätten sich die verantwortlichen Dienststellen an die feuer- und baupolizeilichen Vorschriften gehalten, dann hätte der Tod von elf Häftlingen im Abschiebegefängnis am Flughafen Schiphol vor einem Jahr verhindert werden können.

Unmittelbar nach der Präsentation des Berichtes traten die beiden Hauptverantwortlichen, der christdemokratische Justizminister Piet Hein Donner und die rechtsliberale Ministerin für Bauwesen, Sybilla Dekker, zurück. In der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober 2005 war in Zelle elf des Abschiebegefängnisses auf dem Flughafen Schiphol ein Brand ausgebrochen. Brandursache dürfte ein brennender Zigarettenstummel gewesen sein.

Das sind die Details, die der Bericht aufdeckt: Im Zellentrakt ist zu diesem Zeitpunkt entgegen den gesetzlichen Vorschriften kein Gefängniswärter anwesend. Im Zellentrakt K befinden sich 43 Schubhäftlinge. Erst Minuten nach Ausbruch des Brandes treffen die ersten Aufseher ein. Sie öffnen die Tür von Zelle elf, aus der starker, giftiger Rauch austritt. Sie bringen den Häftling in Sicherheit, aber lassen entgegen allen Vorschriften die Zellentür offen. Dadurch breiten sich die Flammen rasend schnell aus. Das Wachpersonal kann 21 der 26 Zellen öffnen, danach zwingt sie der giftige Rauch, alle Rettungsversuche einzustellen. Die Insassen der fünf Zellen sterben an einer Kohlenmonoxydvergiftung.

Keiner der diensthabenden Bewacher hatte jemals an einer Feuerübung teilgenommen. Einen Evakuierungsplan gibt es nicht. Die Feuerwehr trifft erst 15 Minuten nach dem Brandalarm am Unglücksort ein. Aber die Feuerwehrmänner stehen vor verschlossenen Toren.

Suche nach Eingang

Minuten vergehen, bis die Einsatzfahrzeuge den richtigen Eingang finden. Sie hatten zum Zeitpunkt des Einsatzes, berichtet die Untersuchungskommission, unvollständige Informationen über die Anzahl der Insassen und über die Örtlichkeit.

Die Bewacher bringen die überlebenden Häftlinge in den angrenzenden Zellentrakt. Von dort aus sehen die Gefangenen, wie sich der Brand ausbreitet. Grenzpolizisten gehen mit Schlagstöcken gegen die verängstigten Schubhäftlinge vor. Erst eineinhalb Stunden später werden die Gefangenen in andere Strafvollzugseinrichtungen überstellt. Die schwer traumatisierten Überlebenden werden in Handschellen abgeführt. Der Tod von elf Schubhäftlingen wäre vermeidbar gewesen: Die Untersuchung des Brands im niederländischen Flughafen Schiphol deckte auf, dass Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten wurden. In Konsequenz daraus traten zwei Politiker zurück. (Barbara Hoheneder aus Amsterdam/DER STANDARD, Printausgabe, 22.9.2005)