Österreich
UNICEF: "Der Kampf gegen die Armut beginnt bei den Kindern"
Die Welt könnte der Armut innerhalb einer Generation entkommen - Entwicklungshilfe auf Niveau der 50er Jahre zurückgefallen
Genf/Wien - "Der Kampf gegen die Armut beginnt bei den Kindern". Das erklärte UNICEF-Direktorin Carol Bellamy am
Dienstag in Genf auf der Folgekonferenz zum Weltsozialgipfel. Die Welt könne der Armut innerhalb einer Generation entkommen, wenn sie
sich auf die dringenden Bedürfnisse der 600 Millionen Kinder und Jugendlichen konzentriert, die zu den benachteiligsten Gruppen der Welt
gehören. "Wir haben eine 30 Billionen-Dollar Weltwirtschaft. 1,2 Milliarden Menschen - ein Fünftel der Menschheit - müssen mit weniger als
einem Dollar pro Tag um ihr Überleben kämpfen. 600 Millionen davon sind Kinder - wir müssen übereinkommen, dass jetzt die Zeit
gekommen ist, uns um ihre Bedürfnisse zu kümmern", erklärte Bellamy. Recht der Kinder
"Es gibt immer mehr wissenschaftliche Beweise dafür, dass die Betreuung in der frühesten Kindheit ausschlaggebend für Wachstum und
Entwicklung eines Kindes ist. Sorgfältige Betreuung von Anfang an beeinflusst das Lernverhalten und die psychosoziale Entwicklung in
späteren Jahren. Solche Bedingungen zu schaffen ist keine Frage der Barmherzigkeit sondern das Recht der Kinder", erklärte die
UNICEF-Chefin. Die Teilnehmer der Folgekonferenz zum Weltsozialgipfel ziehen Bilanz eines vor fünf Jahren in Kopenhagen
verabschiedeten Programmes, das auf die Bekämpfung der Armut, der Arbeitslosigkeit und anderer sozialer Mißstände abzielte.
Abschaffung der Kinder- und Zwangsarbeit
Deutschland forderte bei der Genfer Konferenz die Entwicklung eines global geltenden Regelwerks. Entwicklungsministerin Heidemarie
Wieczorek-Zeul verlangte klare Grenzen für den Weltmarkt. Die Kräfte des Weltmarkts müssten in soziale und wirtschaftliche Schranken
verwiesen werden, erklärte die SPD-Politikerin. Dazu brauche es starke internationale Institutionen. Die bestehenden Mechanismen seien
nicht ausreichend, um transnationale Entwicklungen zu regulieren. Auch die UNO müsse gestärkt werden. Ein wichtiger Pfeiler sei die
Achtung der Menschenrechte und sozialer Mindeststandards wie die Abschaffung der Kinder- und Zwangsarbeit oder die
Vereinigungsfreiheit.
Ohne Zugeständnisse der Industrieländer können laut Wieczorek-Zeul nicht alle Weltteile Vorteile aus dem Welthandel ziehen. Schritte dahin
seien die Entschuldungsinitiative und die Überwindung von offenem oder verdecktem Protektionismus. Die ärmsten Entwicklungsländer hätten
derzeit einen Anteil von 0,5 Prozent am Welthandel. Die Industrieländer wenden jährlich 350Milliarden Dollar auf, um ihren Agrarsektor
abzuschotten, wie die Ministerin den jüngsten Bericht des UNO-Entwicklungsprogramms zitiert. Für die öffentliche
Entwicklungszusammenarbeit gäben die selben Länder sieben Mal weniger aus.
Seit 1992 Beiträge um real fünf Prozent gesunken
Die Entwicklungshilfe ist Ende der 90er Jahre auf das Niveau der 50er Jahre zurückgefallen. Seit 1992 seien die Beträge
real um fünf Prozent gesunken, stellt das UN-Kinderhilfswerk UNICEF in einer Studie fest, die am Dienstag bei der Folgekonferenz zum
Sozialgipfel in Genf vorgestellt wurde. Für die nötigsten Sozialleistungen - Gesundheit und Erziehung - wurden danach 1995-96 rund 5,5
Milliarden Dollar (6,15 Mrd. Euro/84,6 Mrd. S) aufgebracht, 1997-98 mehr als 20 Prozent weniger.
Um alle Menschen der Welt mit den nötigsten Sozialleistungen zu versorgen, müssten im Jahr rund 216 Milliarden Dollar ausgegeben werden.
Tatsächlich würden aber 80 Milliarden Dollar weniger aufgebracht. Deshalb seien ein Drittel der Kinder in Entwicklungsländern unterernährt,
in Südaseien sogar die Hälfte. 1,7 Milliarden Menschen hätten kein sauberes Trinkwasser, doppelt so viele keine sanitären Anlagen, heißt es
in der Studie.
UNICEF ist überzeugt, dass das fehlende Geld aufgebracht werden kann.
Arme Länder sollten nach Meinung von UNICEF mehr Geld für Grundschulen bereitstellen, und für die Finanzierung von Hochschulen
Sponsoren finden. Auch sollten die Schuletats auf Kosten der Verteidigungsetats erhöht werden. Reiche Länder müssten den armen die
Schulden erlassen, weil für die Zinsen oft mehr Geld aufgebracht werden müsse, als für soziale Grundleistungen. (APA)