Stafan Keuchel ist Leiter der Unternehmens- kommunikation von Google-Germany

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Arbeiten und Leben auf dem Googleplex

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WebStandard: Microsoft bringt ein neues Windows auf den Markt. Kennzeichen von Windows Vista sind Desktopsuche und die Integration der MSN Search in den Internet Explorer 7 . Was halten Sie davon?

Stefan Keuchel: Natürlich beobachten wir sehr genau, was Microsoft mit Windows Vista macht. Wie unsere Kollegen in den USA denken wir, dass diese Vormachtstellung bedenklich ist. Die vorinstallierte Suchmaschine wird es den Nutzern sehr erschweren die Dienste anderer Hersteller zu verwenden. Das ist aus der Sicht des Wettbewerbs mit Sicherheit nicht erfreulich.

WebStandard: Google hat in letzter Zeit zahlreiche Office-Anwendungen veröffentlicht. Welche Innovationen sind für Spreadsheet, Writely, Calendar und Co. geplant? Werden diese Produkte weiterentwickelt und wenn ja, in welche Richtung?

Stefan Keuchel: In der Tat arbeiten wir an diesen Applikationen weiter. Momentan befinden sich noch einige der Produkte im Betastadium. Wir testen sie und reagieren auf das Feedback unserer Nutzer. Zu Vorankündigungen kann ich leider nichts sagen.

WebStandard: Welches Ziel verfolgt Google mit diesen Programmen? Zwar wurden schon Stimmen laut, nach denen die Anwendungen nicht als Ersatz für Office gedacht sind – auf lange Sicht muss es doch eine tiefgründigere Absicht geben, als nur ein Nebenprodukt zu präsentieren?

Stefan Keuchel: Ja, wir wollen uns nicht so direkt als Konkurrent von Microsoft positionieren. Aber Sie haben Recht, es geht in die Richtung, dass wir dem Anwender eine Möglichkeit bieten wollen, solche Programme losgelöst von seinem Desktop auch im Internet nützen zu können.

WebStandard: Können Sie sich vorstellen, dass man künftig Office-Programme nur noch webbasiert verwendet?

Stefan Keuchel: Auf jeden Fall, das ist die Richtung in die sich das entwickelt.

WebStandard: Gilt das auch für Unternehmen? Glauben Sie, könnten Firmen ihre gesamte Software in Zukunft in Unternehmen wie Google ausgegliedert haben und nur noch über das Internet arbeiten?

Stefan Keuchel: Absolut, das wäre eine denkbare Möglichkeit.

Weiter: Terrorgefahr durch Google Earth?

WebStandard: Google Video hat sich zu einer sehr erfolgreichen Plattform entwickelt, plant Google jetzt auch ein Musikportal?

Stefan Keuchel: Um es ganz deutlich zu sagen: Nein.

WebStandard: Welche Kooperationen – vor allem in Richtung Desktopsuche plant Google in der kommenden Zeit?

Stefan Keuchel: Über zukünftige Projekte dürfen wir schon aus börsenrechtlicher Sicht leider nicht reden, aber wir hatten ja in letzter Zeit Kooperationen mit Computerherstellern wie Dell.

WebStandard: Ist diese Art der Zusammenarbeit, also dass man die Desktopsuche in vorgefertigte Computer integriert, auch Teil der künftigen Erfolgsstrategie?

Stefan Keuchel: Auf jeden Fall, darum machen wir das auch.

WebStandard: Immer wieder gab es im Zusammenhang mit Google Earth Aufregung bei Behörden und Anti-Terror-Ermittlern. Die Bilder seien zu gut und potenzielle Terroristen könnten darüber ihre Ziele ausmachen. Wie wird die Situation von Google selbst gesehen? Ist Google Earth ein Werkzeug des Terrors?

Stefan Keuchel: Nein, das glauben wir nicht. Oder sagen wir’s mal so: Im Vorfeld der Fußball- Weltmeisterschaft warnten etliche sogenannte Experten vor der Gefahr die durch Google-Earth ausginge. Wir glauben allerdings nicht, dass Terroristen auf Google-Earth angewiesen sind, um Anschläge ausführen zu können. Da muss man leider sagen, dass Leute die heutzutage solche Anschläge planen, weitaus besser ausgestattet sind. Bezüglich der Bedenken gegenüber der Funktion sich die genauen Breitengrade von Stadien anzeigen zu lassen, muss man festhalten, dass jedes GPS-System ebenfalls dazu in der Lage ist und oft noch wesentlich genauer.

Noch dazu mag Google-Earth zwar in seiner Bedienerfreundlichkeit und der Art der optischen Aufbereitung einzigartig sein, aber die gezeigten Bilder sind auch über Duzend andere Quellen zu beziehen. Selbst die NASA bietet ein Programm, um sich solche Aufnahmen ansehen zu können. Insofern ist ein Terrorist bestimmt nicht auf unser Produkt angewiesen.

Weiter: Innovationen - Eine Frage der Ideenfindung

WebStandard: Egal welche Analysten man fragt, Google wird derzeit als Vorreiter für alles was mit dem Internet zu tun hat genannt. Wie kann man als Unternehmen diesem Druck standhalten?

Stefan Keuchel: Google steht für Innovation, das kann man sicherlich guten Gewissens sagen. Die Hälfte der bei uns angestellten Kollegen sind Software-Ingenieure. 50 Prozent der Mitarbeiter entwickeln demnach neue Produkte oder arbeiten an bestehenden Anwendungen. Wir haben zu jeder Zeit etwa 100 Projekte in der "Pipeline". Wir werden unsere Nutzer auch in den kommenden Monaten und Jahren mit Neuigkeiten überraschen.

WebStandard: Wie viele Menschen sind mit der Ideenfindung beschäftigt und wie werden Geschäftsmodelle gefunden?

Stefan Keuchel: Nun, jedem Mitarbeiter bei uns steht in der Woche ein Arbeitstag zur Verfügung, um ausschließlich Projekten, die er persönlich für wichtig hält, nachzugehen. Ergo werden 20 Prozent der Arbeitszeit dafür aufgewendet, neue Ideen zu finden, "verrückt" zu sein und Projektvorschläge zu kreieren. Diese Ideen werden dann in Runden, welche des Öfteren auch durch die Google-Gründer sehr prominent besetzt sind, vorgestellt. Anschließend entscheidet sich dann, ob diese Projekte dann an die Öffentlichkeit gelangen oder nicht. So stellen wir sicher, dass wir zu jeder Zeit auf eine Reihe von interessanten Ideen zurückgreifen können.

WebStandard: Generell zeigt sich ein enormes Tempo bei der Entwicklung von Produkten. Die Produktzyklen sind ungewöhnlich kurz. Wie lange dauerte die Entwicklung von Google Earth?

Stefan Keuchel: Also bei Google-Earth muss man sagen, dass wir zuvor die Firma Keyhole gekauft haben, die dieses Projekt ins Leben gerufen hat. Wir haben danach aber noch ein Jahr an dem Produkt gearbeitet, um es, wie wir es ausdrücken, "googlich" zu machen.

WebStandard: Und wie lange dauert das bei Office-Applikationen, um diese marktreif zu machen?

Stefan Keuchel: Man kann das klarerweise nicht verallgemeinern, das hängt immer vom eigentlichen Produkt ab. Aber häufig sind wir schneller als ein Jahr.

WebStandard: Wird man mit dieser Geschwindigkeit weiterentwickeln können?

Stefan Keuchel: Nachdem wir noch einiges im Petto haben, kann man davon ausgehen.

Weiter: Erfolg durch Motivation. Wie sieht es mit Österreich aus?

WebStandard: Der Google-Hauptsitz in den USA wurde in der jüngeren Vergangenheit oft als Musterbeispiel genannt, wenn es um MitarbeiterInnen-freundliche Arbeitsplätze und Unternehmen ging. Wie ist das Arbeitsleben bei Google? Wie bindet ein Unternehmen die MitarbeiterInnen an sich und welche Extras erwarten diese?

Stefan Keuchel: Google legt sehr großen Wert darauf, dass Mitarbeiter sich wohl fühlen. Das sieht man auch am Hauptsitz, dem Googleplex in Mountain View. Er ist aufgebaut wie ein Campus. So hat man nicht immer das Gefühl, man sei in einem großen Konzern. Die Stimmung ist wie an einer Universität, sehr entspannt. Zudem gibt es allerlei kostenfreie Extras. Frühstück, Mittag- und Abendessen sind ebenso gratis, wie zum Beispiel Massagen. Wenn auf der einen Seite sehr hart gearbeitet wird, soll es den Angestellten auf der anderen Seite auch gut gehen.

WebStandard: Wie sieht es mit dem Konkurrenzverhalten unter den Mitarbeitern aus? Ist das aufgrund der zahlreichen Eigenprojekte nicht sehr hoch?

Stefan Keuchel: Nein. An den Projekten arbeiten immer kleinere Gruppen und die Stimmung ist demnach äußerst kollegial. Die Fluktuation ist sehr gering.

WebStandard: Wie bindet ein Unternehmen die MitarbeiterInnen an sich? Was können Sie uns noch zu den "Extras" sagen?

Stefan Keuchel: Sicherlich ist auch das Gehalt sehr zufriedenstellend und die Angestellten werden mit Aktienpaketen am Unternehmen beteiligt. Man darf aber auch zum Beispiel seinen Hund zur Arbeit mitnehmen, zur Entspannung stehen überall Lavalampen herum. Sitzbälle und ein Fitnesscenter sorgen ebenfalls für das Wohlbefinden der Mitarbeiter.

WebStandard: Glauben Sie, sind das Gründe, weshalb in letzter Zeit auch einige Microsoft-Mitarbeiter zu Google gewechselt sind?

Stefan Keuchel: Das wohltuende Arbeitsklima hat sich bestimmt herumgesprochen. Aber sagen wir’s so: wir suchen keine Menschen, die darauf aus sind in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld zu verdienen. Es gab einmal so einen Spruch: Eigentlich suchen wir Mitarbeiter die auch ohne Geld für uns arbeiten. Man soll bei Google arbeiten, weil man interessiert daran ist ein Stück Zukunft mitzugestalten. Der Hauptgrund sollte, obwohl man es tut, nicht sein gutes Geld zu verdienen.

WebStandard: In Deutschland werden immer wieder Angestellte gesucht; gibt es entsprechende Pläne auch für Österreich?

Stefan Keuchel: Es ist immer schwierig über Pläne zu reden, aber ich kann vielleicht soviel andeuten – es wird was passieren in Österreich.

Weiter: Google Books in der Kritik von Copyright-Verfechtern

WebStandard: Google hat sich in Europa zuletzt nicht gerade viele Freunde mit seinen Digitalisierungsplänen gemacht. Wurden hier schon Lösungen gefunden?

Stefan Keuchel: Einerseits gibt es die interessensgeleitete Kritik die von Verlagen ausgeht und andererseits bgrüßen unsere Nutzer es sehr, dass zum Beispiel plötzlich Bücher von denen es nur noch ein einziges Exemplar gibt oder schwer zugängliche Buchbestände wieder Verfügbar sind. Also glaube ich, dass wir uns da eine ganze Menge Freunde gemacht haben.

WebStandard: Unter den Konsumenten auf jeden Fall, aber auch unter Verlegern?

Stefan Keuchel: Man muss hier unterscheiden. Unsere Buch-Suchmaschine Google Books steht auf zwei Standbeinen.

Das Verlagsprogramm – von dem man relativ wenig hört, nachdem es ja als Werbung für erwerbliche Bücher fungiert. Hier senden uns die Verlage Bücher zu, die wir dann kostenlos digitalisieren und dann auszugsweise dem Leser zur Verfügung stellen. Bei einer Suchanfrage werden einfach thematisch passende Bücher angezeigt. So erreichen auch eher spezielle Werke, wie ein Buch über Orchideenzucht eine hohe potenzielle Leserschaft. Hier haben wir seitens der Verlage auch keine Beschwerden, weil Google ihnen da etwas Gutes tut.

Kritische Stimmen beziehen sich lediglich auf das wesentlich kleinere Bibliotheksprogramm. Hier arbeiten wir mit namhaften Universitäten und Bibliotheken aus den USA und aus England zusammen. Diese stellen sehr alte Bücher zur Verfügung, welche längst schon zum Allgemeingut gezählt werden können. Kritik gibt es Bücher betreffend, deren Copyright nicht geklärt ist bzw. noch besteht. Da muss man verdeutlichen, dass kein Verlag gezwungen ist an dem Projekt teilzunehmen. Sobald eine Beschwerde eingereicht wird, ziehen wir die betroffenen Bücher aus dem Angebot zurück und respektieren natürlich das Copyright.

WebStandard: Ein Argument der Musikindustrie weshalb illegale Downloads verboten werden sollen, meint, dass die Downloads die Verkäufe reduzieren. Jetzt zeigen diverse Studien aber immer wieder, dass illegale Downloads auch Werbung für die Musik machen und so auch auf positive Weise zum Geschäft beitragen können. Glauben Sie, ist es denkbar, dass ein Verlag seine neuen Bücher kostenlos anbietet, um Werbung für seine Produkte zu machen und so zwangsläufig einen höheren Absatz erzielen kann, weil er die Bücher einer wesentlich breiteren Masse zugänglich macht?

Stefan Keuchel: Also sicherlich wird so das Interesse für Bücher gesteigert. Und für die Inhalte.

WebStandard: Wann ist die Grenze erreicht an denen man Anwendern Inhalte gratis zur Verfügung stellen kann? Gibt es diese überhaupt?

Stefan Keuchel: Naja, schauen Sie sich Microsoft an. Die verkaufen sehr viel von ihrer Software, aber das ist nicht Googles Philosophie. Wir glauben, dass Produkte für Konsumenten kostenlos sein sollten und daran ändert sich auch nichts. (Fragen stellten Zsolt Wilhelm und Markus Sulzbacher)