Die menschliche Leber
Die Struktur des Hepatitis-C-Virus wurde identifiziert. Jetzt wartet die Szene auf neue Wirkstoffe, mit denen die gefährliche Erkrankung bekämpft werden kann.

"Vielleicht haben wir die Achillesferse des Virus gefunden", sagte Ivo Lorenz von der Rockefeller Universität in New York, als er kürzlich der Forschungsgemeinschaft im Fachblatt Nature die Früchte seiner Arbeit präsentierte. Das "Non structural protein 2", das Eiweiß, das bei der Vermehrung von Hepatitis C Viren aktiv ist.

Große Nachfrage

Die Nachfrage nach einem Wirkstoff, der dieses Protein blockieren könnte, wäre enorm: Zwar konnten Pharmazeuten und Hepatologen die Heilungschancen für Hepatitis-C-Patienten in den vergangenen zehn Jahren dramatisch verbessern. Dennoch bleibt genug zu tun. Weltweit sind 170 Millionen Menschen infiziert, allein in Österreich könnten es nach Schätzungen der Patientengruppe "Hepatitishilfe Österreich" bis zu 200.000 Menschen sein.

Unbemerkt im Körper

Genaue Zahlen gibt es nicht, weil wahrscheinlich die Hälfte der Infizierten gar nicht weiß, dass sie das Virus im Körper trägt. Gefährlich ist die Krankheit, weil sie nach mehreren Jahrzehnten schwere Schäden verursachen kann: Zehn bis 20 Prozent der chronisch Infizierten entwickeln nach 20 bis 30 Jahren eine Leberzirrhose, die in weiterer Folge zu Leberzellkrebs führen kann.

Ursache für Lebertransplantationen

Hepatitis C ist die Ursache für rund 30 Prozent aller Lebertransplantationen in Österreich. Insgesamt, so ergab eine in Wien durchgeführte Beobachtung von 442 Patienten über 27 Jahre, verkürzt eine chronische Hepatitis-C-Infektion die Lebenserwartung der Betroffenen um 15 bis 18 Jahre.

50 bis 80prozentige Heilungschance

Meist wird die Krankheit nur durch Zufall entdeckt. Doch selbst bei richtiger Diagnose müssen die Patienten noch weiter zittern. Je nach Virus-Genotyp können nur 50 bis 80 Prozent der Patienten geheilt werden.

Neue Verabreichungsmethoden

Dabei sind die Heilungschancen heute weitaus besser als noch vor wenigen Jahren. Die Fortschritte gelangen, weil man neue Methoden für die Verabreichung altbekannter Wirkstoffe entwickelte. Die Patienten bekommen den Immunverstärker Interferon, allerdings in pegylierter Form. Das bedeutet, dass der Wirkstoff in mikroskopisch kleinen Kapseln verpackt ist, die sich im Körper nach und nach öffnen.

Bessere Virenbekämpfung

Dadurch bleibt der Interferon-Spiegel konstanter, die Viren werden besser bekämpft. Als zweite Substanz wird Ribavirin verschrieben. Im vergangenen Jahr haben sich die heimischen Experten auf eine neue Behandlungsmethode geeinigt. Dosierung der Wirkstoffe und Dauer der Therapie werden nun an den zu bekämpfenden Virus-Genotyp angepasst.

Laut einer Studie des Instituts für Technikfolgenabschätzung an der Akademie der Wissenschaften vom April 2006 bringt diese Optimierung für die Patienten gegenüber der alten Therapieform einen Gewinn an Lebenserwartung von 1,8 Jahren.

Nebenwirkung Depression

Doch das hat seinen Preis: "Die Therapie hat Nebenwirkungen, einige Patienten werden während der Behandlung schwer depressiv", erzählt Harald Brunner, Internist und Hepatitis-Spezialist am Krankenhaus Hietzing. Immer wieder würden Patienten deshalb die Therapie vorzeitig abbrechen.

Wichtige Vorbeugung

Umso wichtiger wird daher die Vorbeugung. Derzeit infizieren sich nach Schätzungen bis zu 1000 Menschen pro Jahr mit dem Virus - und das, obwohl es nur durch Blut übertragen werden kann.

Infektionsgefahren

Somit gelten auch Piercing- und Tattoo-Werkstätten - als Gefahrenquellen. "Wir arbeiten an einem Gütesiegel für diese Studios", sagt Angelika Widhalm, Leiterin der Hepatitishilfe Österreich. "Da kann sich dann jeder überlegen, ob er in einen Betrieb geht, der kein Hygiene-Gütesiegel vorweisen kann."

Und was ist mit der Achillesferse?

Ivo Lorenz hat die dreidimensionale Struktur des Proteins ermittelt, die für eine ganz bestimmte Etappe bei der Virus-Vermehrung unerlässlich ist. Als positive Überraschung stellte er fest, dass diese Struktur offenbar einzigartig ist. "Damit gibt dieses Protein ein hübsches Ziel für einen Wirkstoff ab, der exakt dieses Protein blockieren könnte", so Lorenz.

Warten auf Wirkstoffe

Doch bis dieser Ansatz auch nur getestet werden kann, werden noch Jahre vergehen. Jetzt geht es darum, Wirkstoffe zu entwickeln. "Derzeit macht es wenig Sinn, große neue Studien zu beginnen", sagt Peter Ferenci, Hepatologe am Wiener AKH. "Wir alle warten auf neue Wirk-stoffe." (Gottfried Derka/MEDSTANDARD/25.09.2006) Allein in Österreich sind bis zu 200.000 Menschen mit Hepatitis C infiziert. Die menschliche Leber hat keine Schmerzrezeptoren, Entzündungen bleiben oftmals unentdeckt.