Berlin - Trotz gegenseitiger Ermahnungen aus Union und SPD ist ein Ende des Koalitionsstreits in Deutschland über die Gesundheitsreform nicht in Sicht. Die CSU stellte am Montag erneut einige der vereinbarten Eckpunkte in Frage, die die SPD für unverzichtbar hält. Die unionsgeführten Länder kündigten zudem einen eigenen Vorschlag zur Reform der privaten Krankenversicherung an. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil forderte die Unions-Länder auf, die Debatte zu beenden.

CSU-Chef Edmund Stoiber sagte in München: "Es kommt darauf an, dass die Eckpunkte praktikabel umgesetzt werden." CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer und CSU-Generalsekretär Markus Söder lehnten aber die Ein-Prozent-Grenze für zusätzliche Kassenbeiträge ab, die auf Wunsch der SPD in den Eckpunkten festgelegt wurde. Sie wandten sich auch erneut gegen den in den Eckpunkten vereinbarten neuen Finanzausgleich der Krankenkassen, der Bayern zusätzlich belasten würde.

Unionsregierte Länder wollen eigene Vorschläge vorlegen

Bei den Vorschriften zur privaten Krankenversicherungen wollten die unionsregierten Länder mit eigenen Vorschlägen auf "die leicht ideologischen" Entwürfe aus dem Bundesgesundheitsministerium reagieren, sagte Ramsauer. Meldungen, Bayern wolle einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen, seien aber falsch.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla spielte die Differenzen in der großen Koalition herunter. "Wir stehen Millimeter vor einer Lösung", sagte er im ZDF. "Wir sollten versuchen, die verbleibende Zeit der nächsten zwei, drei Wochen für eine sachliche Diskussion nutzen." Er rechne spätestens in der zweiten Oktoberhälfte mit einem Kabinettsbeschluss.

Koalition "überhaupt nicht gefährdet"

Auch Pofalla stellte aber die Überforderungsklausel für den Zusatzbeitrag in Frage, den die SPD für unverzichtbar erklärt hat: "Die jetzige Klausel, wie sie im Eckpunktepapier vereinbart worden ist, funktioniert nicht, weil ineffiziente Krankenkassen in den glatten Ruin getrieben werden." Daran könne die SPD kein Interesse haben. Das Problem werde in den Detailverhandlungen am Schluss zu lösen sein. Die große Koalition sei "überhaupt nicht gefährdet", fügte Pofalla hinzu. Sie werde bis 2009 arbeiten.

Die SPD-Linke Andrea Nahles versicherte ebenfalls im ZDF, die Sozialdemokraten stünden zum vereinbarten Gesundheits-Kompromiss. Sie habe kein Verständnis, wenn die Ministerpräsidenten der Union Kernpunkte in Frage stellten. Man müsse sich auch bei der Ein-Prozent-Grenze auf die andere Seite verlassen können.

SPD: Eckpunkte nicht weiter in Frage stellen

SPD-Generalsekretär Heil forderte die unionsregierten Länder auf, die Eckpunkte zur Gesundheitsreform nicht weiter in Frage zu stellen. Die Bundesregierung müsse zügig den Gesetzentwurf erarbeiten, sagte Heil im NDR. "Und da hilft es nicht, dass wir jeden Tag Neues bekommen. Ich hoffe, dass wir das jetzt bald hinter uns lassen."

Unterdessen meldete die "Bild"-Zeitung, Bundeskanzlerin Angela Merkel wolle den Wirtschaftsprofessor Bert Rürup in die Endphase der Beratungen über die Gesundheitsreform einschalten. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte aber, die Entscheidung, welche Sachverständige herangezogen werden sollen, sei noch nicht gefallen.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), äußerte Zweifel an der Vereinbarung von Merkel und SPD-Chef Kurt Beck, den Konflikt durch die Hinzuziehung von Experten zu lösen. "Da muss eine politische Lösung her und nach Möglichkeit schnell", sagte er in der ARD. (APA/AP)