Infografik: Wahlen in Brasilien

Brasilia/Wien - Als Luiz Inacio Lula da Silva im Herbst 2002 die brasilianischen Präsidentenwahlen gewann, schien im größten Staat Lateinamerikas eine neue Ära angebrochen zu sein. Erstmals zog ein Kandidat der Linken in den Präsidentenpalast Alvorada ein. Die versprochenen Reformen sind zwar großteils ausgeblieben, doch immerhin gelang dem ehemaligen Gewerkschaftsboss, dem die Unternehmerschaft mit großer Skepsis begegnete, eine Stabilisierung der Wirtschaft, und die armen Massen hält er mit dem Sozialprogramm "Bolsa Familia" über Wasser.

Hoffnungsträger der "kleinen Leute"

Lula, der als Hoffnungsträger der Unterprivilegierten angetreten war, geriet in den letzten Jahren in den Strudel der Skandale und Korruptionsfälle im Herzen seiner sozialistischen Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores/PT). Im Vorjahr hatte er deshalb auch bedrohlich schlechte Umfragewerte, doch davon hat er sich inzwischen wieder erfangen. Mit rund 50 Prozent hat Lula gegenüber seinem wichtigsten Herausforderer, Geraldo Alckmin von der Sozialdemokratischen Partei (PSDB), der kaum über 30 Prozent hinauskommt, die Nase eindeutig vorn.

In seiner politischen Laufbahn war der Gewerkschaftsboss bereits drei Mal als Präsidentschaftsbewerber gescheitert, das Image des ewigen Verlierers haftete ihm an, bevor er am 27. Oktober 2002 den Einzug in die Alvorada schaffte. Er gewann mit 60 Prozent die Stichwahl gegen Jose Serra, den Bewerber der damals regierenden PSDB. 1989, 1994 und 1998 war er auf der Strecke geblieben. "Eines Tages wirst du hier wohnen", hatte Fernando Henrique Cardoso, der ihm 1998 den Sieg wegschnappte, zu seinem Kontrahenten gesagt. Vier Jahre später war es so weit - der ehemalige Schuhputzer "Lula" eroberte den Präsidentensessel.

"Mann aus dem Volk"

Lula gilt als Mann aus dem Volk. Lula wurde im Oktober 1945 als zweitjüngstes von acht Kindern einer Bauernfamilie in Caetes im Staat Pernambuco, im kargen Nordosten Brasiliens, geboren. Kurz nach Lulas Geburt verließ der Vater die Familie, um nahe der Wirtschaftsmetropole Sao Paulo im Südosten sein Glück zu versuchen. Sieben Jahre später zog Lulas Mutter mit ihren acht Söhnen nach, in das 2.000 Kilometer entfernte Guaruja.

Nach der fünften Klasse brach Lula die Schule ab. Zum Geldverdienen jobbte er als Schuhputzer, Straßenverkäufer und Botenjunge. Mit 14 Jahren fand er erstmals eine feste Anstellung als Metallarbeiter in einem Vorort von Sao Paolo. Er wurde Drechsler, bei einem Arbeitsunfall verlor er einen Finger. Seine erste Frau und ihr Baby starben bei der Geburt. Mit seiner zweiten Frau hat Lula vier Söhne, außerdem hat er eine uneheliche Tochter.

Gewerkschafter-Karriere

Seine Gewerkschafter-Karriere begann 1966, als Lula der Metallarbeitergewerkschaft von Sao Bernardo do Campo beitrat. 1976 wurde er zu deren Präsident gewählt. Die brasilianischen Metallarbeiter verfügen über die bestorganisierte und stärkste Gewerkschaft des Landes. Als Metaller-Boss führte Lula seine Arbeiter während des brasilianischen Militärregimes 1964-85 mehrmals in den Streik. Im Zuge der Streikwelle kam er als Regimegegner in Haft.

1981 zählte Lula zu den Gründern der Arbeiterpartei, zu der sich linksgerichtete Politiker, fortschrittliche Geistliche, Intellektuelle und Arbeiter zusammenfanden. Noch heute hat die PT einen roten Stern im Banner. 1983 entstand mit Lulas Hilfe ein Gewerkschafts-Dachverband. Drei Jahre später wurde Lula Parlamentsabgeordneter und gestaltete die neue Verfassung des lateinamerikanischen Staates mit. Seit damals strebte er nach höheren politischen Weihen.

Lula, der "Bürgerschreck"

Sukzessive legte sich der einstige Bürgerschreck einen gemäßigteren Habitus zu. Schon nach der Niederlage gegen Fernando Collor de Mello 1989 mäßigte er sich im Ton, kleidete sich in Maßanzüge, schmiedete Allianzen mit Unternehmern. Dennoch gaben die Brasilianer mit Cardoso auch 1994 und 1998 den Sozialdemokraten den Vorzug. Beim vierten Anlauf ließ sich der hitzköpfige Gewerkschafter das Image polieren. Lula verabschiedete sich von harten Forderungen wie Moratorium der Auslandsschulden, Verstaatlichung von Banken oder Enteignung von Agrarbesitz. Als Präsident fand er sogar versöhnliche Töne für den früheren "Feind" Weltwährungsfonds (IWF) wegen seiner harten Kreditbedingungen.(APA)