Der Allroundkünstler Gustav Böhm stellt am 17. Oktober sein Projekt "Lehmstadt Nordbahnhof" vor.

Foto: Aktionsradius Augarten
Wien - Dem negativen Ruf des Begriffs "Scheitern" tritt der Aktionsradius Augarten im Oktober mit seiner Veranstaltungsreihe "Friedhof der gescheiterten Projekte" entgegen. Denn: Gescheiterte Projekte sind oft gescheite Projekte. Die "Lehmstadt Nordbahnhof" stellt die Kulturinitiative ebenso vor wie "Safer Sex Poker" - und leistet damit einen Beitrag, dass nicht realisierte Ideen nicht verloren gehen, zählen sie doch oft zu den besten.

Archiv der gescheiterten Projekte

Zum Auftakt informiert Dieter Schrage am 3. Oktober über das "Archiv der gescheiterten Projekte" aus den 1980er Jahren. Das Archiv war die zentrale Idee im Rahmen des Projekts "das Feld": Auf einem Feld in Kagran, auf dem eine Stadtrandsiedlung geplant war, wurden Kulturcontainer ausgestellt, als Protest gegen die traditionelle Stadtplanung, die die kulturelle Infrastruktur einer Wohnsiedlung immer erst nachrangig behandelt.

Karin Jahn stellt das 1981 vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst abgelehnte Filmprojekt "Wo Männer noch Männer sind" vor. Das Publikum ist aufgefordert, sich aus "vorliegenden Unterlagen" selbst eine Meinung zur Subventionswürdigkeit des Filmprojekts zu bilden.

Ein "gescheitertes" Filmprojekt wird auch am 10. Oktober von Tina Leisch vorgestellt: "Vergiss Europa" sollte mit LaiendarstellerInnen die Entwürdigung der Menschen durch das Schubhaftsystem glaubhaft machen. Ein Plan, der auf verschiedenen Ebenen nicht aufging.

Lehm in der Stadt

Der Allroundkünstler Gustav Böhm ist ein begeisterter Vertreter des experimentellen Lehmbaus. Einige Objekte in seinem Klosterneuburger Haus am Waldrand zeugen von der Verwendbarkeit des Materials zur Herstellung von Kunstobjekten – und zur Errichtung ganzer Wohnsiedlungen. Am Gaußplatz 11 stellt er am 17. Oktober sein Projekt "Lehmstadt Nordbahnhof" vor: Das Publikum darf Lehmzwerge produzieren. Auch der Vortragende greift während des Vortrags zum Lehm. Dazu lesen Fritz Babe und Mischo Grbawac aus ihren Texten.

"Safer Sex Poker" und "Lust & Laune"

Am 24. Oktober berichtet Gerald Grassl von seinem Galerie-Abenteuer "Lust & Laune", das sich der Förderung einer erotischen Kultur widmete. Nach zwei Jahren mit ökonomischen Schwierigkeiten aber auch bemerkenswerten Veranstaltungen musste Grassl das Projekt beenden.

Die in Florisdorf lebende Malerin Magdalena Steiner schuf die Sujets für erotische Spielkarten, die, wären sie je auf den Markt gekommen, einem guten Zweck gedient hätten: dem Kampf gegen Aids. Eine beauftragte PR-Agentur stieß allerdings auf Desinteresse, sowohl im deutschsprachigen Raum als auch in den USA. Moralische Bedenken wurden geäußert. 2004 wollte eine Düsseldorfer Galerie die Bilder ausstellen. Wenige Tage nach einem diesbezüglichen Vorgespräch starb der Galeriebesitzer.

Hundsblume

Unter den 68er-Kommunen mit politischer Intention spielte auch die Wohngemeinschaft Berggasse eine Rolle, die 1969 gegründet wurde und als Hundsblume-WG bekannt wurde. Es ging den BewohnerInnen um eine Einheit von Leben, Politik und Kunst – und ihre Mitglieder schlossen sich dem MLS (marxistisch-leninistische Studenten) an. Sie schufen die Edition Hundsblume, die nur etwa zwei Jahre bestand. Leander und Konstantin Kaiser stellen sie am 31. Oktober am Gaußplatz 11 vor. Bekanntestes Mitglied dieser WG, die bis etwa 1972 bestand, war übrigens Robert Schindel: 1970 erschien bei Hundsblume Schindels früher Roman aus der Szene der Neuen Linken in Wien, "Kassandra". (red)