Gerhard Fuchs und Yvonne Schwarzinger: Küche auf hohem Niveau als Segen für die ganze Region

Foto: Kreuzwirt
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Die Frage ist, wie man eine Hymne beginnen soll. Vielleicht so: Sie haben sogar eine neue Straße gebaut. Für uns. Damit wir auf den Pössnitzberg finden. Und ein altes Wirtshaus hergerichtet. Für uns. Sechs Gästezimmer, damit wir nach dem Essen nur noch einmal umfallen müssen, um wie zu Hause zu pennen. Nein, schöner, weil zu Hause die Küche naturgemäß nicht ansatzweise mithalten kann. Und weil zu Hause am Morgen nicht die Südsteiermark vor dem Fenster liegt, was heißt liegt, sich hinbreitet sozusagen, und zwar die Essenz der Südsteiermark, die südsteirische Landschaftsidee schlechthin: der Weinberg zum Waldesrand hinunter, dahinter gefältelt und sauber gereiht die Hügel, darüber ein spätsommerlicher Himmel, der schon nach Sturm und Kastanien riecht. Das alles für uns. Uns meint im Fall des jüngsten Projektes der Familie Erich und Walter Polz den Gast als solchen. Mit dem Weingut Tscheppe, das sie 2002 erworben hat, kamen ja nicht nur 32 Hektar bester Rebflächen am Czamillon- und Pössnitzberg dazu, sondern auch der seit 1959 vor sich hindämmernde Kreuzwirt. Und der wurde jetzt wieder als Gasthaus hergerichtet, nicht irgendwie, sondern mit einem ganz klaren, in sich stringenten Konzept, das sich von der Architektur bis zur Küchenlinie fortsetzt. Den Umbau besorgten die oberösterreichischen Architekten Gärtner+Neururer, die unter anderem mit der höchste historische Sensibilität erfordernden Revitalisierung von Schloss Hartheim für Aufsehen gesorgt hatten. Am Pössnitzberg ging es, so Dietmar Neururer, vor allem um eine möglichst leicht anmutende Auflösung der massiven Bausubstanz des Herrenhauses in einer modernen Ergänzung, die technisch den Ansprüchen der Spitzengastronomie Rechnung trägt und dem Gast unaufdringlich seinen Platz in einer landschaftlichen Szene zuweist, die dem lieben Gott in einer sehr beschwingten Stunde aus der Schöpferhand geglitten ist. Beide Übungen sind zweifelsfrei gelungen.

Klassisch steirisch mit elsässischer Richtung

Als Köche konnten die Polzens bereits zu Beginn des Jahres Gerhard Fuchs und Yvonne Schwarzinger gewinnen, was sich zweifellos als Segen nicht nur für das Haus, sondern für die gesamte Region erweisen wird. So entspannt und klar, so unprätentiös und zugleich substanziell konzentriert war der Auftritt der beiden bei der Eröffnung des Hauses, dass man sich für die Zukunft, wenn die Hektik, die jeden Beginn begleitet, der täglichen Routine gewichen sein wird, nur noch die Sorgen machen muss, auch einen Tisch zu ergattern. Wie groß das Potenzial der beiden ist, haben sie jedenfalls schon am ersten Tag angedeutet: Von den Grüßen der Küche, die klassisch-steirisch etwa mit Kernöl-Grammerln, Jungzwiebel-Quiche oder Backhenderl auf Rahmgurkensalat ausgesprochen wurden, bis zu den Schoko- und Kaffeevariationen zum Dessert kam nichts auf den Tisch, das nur ansatzweise als dem Stress des ersten echten Produktionstages geschuldet und nicht ganz gelungen bezeichnet werden könnte. Die Interpretationen der Gänseleber beweisen, wenn etwa eine davon in eine knusprig-süße Frühlingsrolle verpackt erscheint, dass sich der steirische Klapotetz bei derart günstigem kulinarischen Wind auch in die elsässische Richtung drehen kann. Das Carpaccio vom Ochsen treibt nicht nur Fleisch-Rohköstlern Tränen der Lust in die Augen, und beim Wallerfilet in Flusskrebsbegleitung demonstrieren Fuchs / Schwarzinger endgültig, auf welch hohem Niveau ihre Küche mittlerweile angelangt ist. Die Krebse hauchzart, das Karkassen-Safterl mit einem zitronengrasigen Hauch, der Fisch zergeht aus Freude, mit von der Partie zu sein, zwischen Gabel und Gaumen. Das nachfolgende Stück vom Spanferkel war aus dem Goderl oder dem Nacken geschnitten, krachfest die Kruste, milchweiß duftend und zart der Speck darunter, das Fleisch butterweich und von einer Konsistenz, die den glücklichen Erdenwandel des lieben Viehs vor seiner Transformation zum Lebensmittel noch erahnen lässt. Dazu kommen die Krautfleckerl mit Trüffeln so fantastisch, dass man den kleinen Grammelknödel mit der hausgemachten Miniatur-Blunzen daneben fast übersehen könnte. Man sollte es zum eigenen, endgültigen Wohle nicht. Wer dann noch kann, sollte es mit der Bau- ernente versuchen, die mit Eierschwammerln und Petersilravioli gereicht wird. Brust oder Keule – völlig egal, keine Spur von schwerem Fett, Ravioli und Pilze steuern einen herben Waldgeschmack bei, und was Fuchs und Schwarzinger zum Dessert zaubern, sollen sie Ihnen selber erzählen. Großes Theater. (Samo Kobenter/Der Standard/Rondo/29/09/2006)