Immer mehr Jugendliche verfallen einem tödlichen Schönheitswahn. Sie hungern, fressen und
kotzen, bis sie nicht aufhören können. Dieser Selbstauslöschung muss die Gesellschaft Einhalt
gebieten.
Arme und Beine so dünn wie ein Stock. Kantig herausstehende Schulterblätter. Durchsichtige
Hohlwangen, stumpfes Haar, ein freudloser Blick. Kleider, unter denen sich das Skelett
abzeichnet, ätherische Körper, die der kleinste Windhauch umzuwerfen droht: Nein, attraktiv
sehen sie wirklich nicht aus, die vielen magersüchtigen Mädchen, jungen Frauen und Männer, die
uns heute täglich über den Weg laufen. Eher wie eine Gespensterarmee.
Und doch finden sie sich merkwürdiger Weise schön, dem Idealbild in ihrem Kopf ganz nah. Und
für dieses Schönheitsideal sind sie bereit zu leiden: Sie hungern, wenn der Magen noch so knurrt,
sie fressen und kotzen, wenn die Speiseröhre noch so brennt. Bis sie nicht mehr aufhören können
und mitten in der Mager- oder Ess-Brech-Sucht landen.
Zum Erbarmen
Dann sind sie krank, zum Erbarmen krank. Sie fühlen sich schwach und haben permanent Angst,
andere könnten ihr Problem entdecken. Zum Ausgleich versuchen sie, besonders gute Leistungen
zu erbringen, arbeiten doppelt so viel wie sonst. Und nehmen noch mehr ab. Und wenn nicht ein
Wunder (samt Therapie) geschieht, sind sie eines schlimmen Tages tot.
Allein in Österreich leiden geschätzte 200.000 Mädchen und Frauen an Essstörungen, ebensoviele
sollen es in England sein. Dort wähnen sich 60 Prozent der Teenager zu dick. Aber auch unter
den Burschen beginnt die Sucht bereits zu grassieren: In Bayern etwa hat sich die Zahl der
Betroffenen zwischen 1998 und 1999 von 2,2 auf 12 Prozent erhöht.
Ursachen-Cocktail
Was ist los mit unserer Gesellschaft, dass sich ein Teil der Jugend quasi selbst zerstört?
Seit Jahren zerbrechen sich PsychologInnen und MedizinerInnen darüber den Kopf. Sicher ist es ein
ganzer Cocktail von Faktoren. Während im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts
gerade das Zusammenwirken von Umwelt, Entwicklung und genetischen Faktoren untersucht
wird, gilt in England immerhin eines als unumstritten: Fernsehen und Modezeitschriften mit ihren
spindeldürren Models sind zumindest ein Teil des Problems. Auf den Fidschi-Inseln beispielsweise
hat sich seit der Einführung des Fernsehens im Jahr 1995 das einst stämmige Schönheitsideal total
geändert: 75 Prozent der Mädchen fühlen sich heute zu dick.
Um diesem Terror ein Ende zu machen, hat Tony Blair kürzlich gemeinsam mit
Erziehungsministerin Tessa Jowell zum Kreuzzug gegen das krankmachende Schönheitsideal
geblasen. VertreterInnen der Modeindustrie und der wichtigsten Modejournale wurden zu einer
Regierungskonferenz gebeten. Das Ergebnis: Alle nahmen sich vor, von nun an eine breitere
Palette von Frauentypen zu zeigen. Eine Beschwerdestelle ähnlich dem Presserat soll bei
Zuwiderhandeln angerufen werden können. Knochengerippe wie das amerikanische Model Trish
Goff (1.80 m/44 Kilo), Kate Moss oder das Spice Girl Victoria Beckham sind damit - theoretisch
- out.
Auch in Deutschland und Österreich macht man sich inzwischen über die hauchdünnen
SportlerInnen wie Skispringer und Gymnastinnen Gedanken,. Für Athleten haben die Deutschen
ein Mindestgewicht vorgeschlagen: Ein 1.80 großer Springer sollte nicht weniger als 60 Kilo
wiegen.
Gut, dass man endlich anfängt nachzudenken! Doch freiwillige Selbstkontrolle ist bei 200.000
Betroffenen zu wenig. Wenn wir nicht wollen, dass die zerstörerische Seuche weiter um sich greift,
müssen wir zur Not eben Verbote erlassen. Keine verhungerten Idole mehr in der Werbung!
Übertriebenes Hungern ist eine Art ansteckende Krankheit, die zu kurieren langwierig und teuer
ist - sofern es überhaupt gelingt. Prävention ist für alle Beteiligten besser. Schließlich haben wir es
auch geschafft, durch Gurtenpflicht und eine niedrigere Promillegrenze die Todesrate im
Straßenverkehr zu senken.
Öffentlichkeitsarbeit starten
Aber auch das ist nur mit viel Aufwand an Öffentlichkeitsarbeit gelungen. Geld muss also auch für
den Kampf gegen die Magersucht zur Verfügung gestellt werden. Starten wir also einen
Werbefeldzug nach dem Motto:
Abgemagert ist krank.
Künstliche Dürre ist hässlich.
Zarte Rundungen sind ästhetisch.
Weiche Polster sind sexy!
Und machen wir den Mädchen und Burschen klar: Ihr stecht Euch ja auch nicht die Augen aus,
bloß weil ein blindes Idol so schön singt. Und Ihr würdet Euch sicher auch nicht zwei Finger
amputieren, bloß weil ein verrückter Modezar plötzlich befindet, acht Finger sind genug!
Überhaupt: Was heißt schon Schönheitsideal? Denken wir an Rubens, der es üppig quellend
liebte (Das Pelzchen). Oder an die Fünfziger-Jahre, denen es nicht kurvig genug zugehen konnte
(Marilyn Monroe). Schönheitsideale kommen und gehen. Die schönste Ausstrahlung hat seit eh
und je, wer sich wohlfühlt.
Ich schlage daher den Österreicherinnen und Österreichern vor: Zeigen wir Zivilcourage! Rufen
wir als Sofortmaßnahme beim Österreichischen Werberat (01-501 05-0) an, um neben den
sexistischen Werbeaktionen auch das Fotografieren gefährlich dünner Models zu brandmarken!
(Heide Korn: 58 Jahre, glückliche 66 Kilo
Ungewollter Minimalstand mit 38: 49 Kilo
Höchstmarke: 70 Kilo)
Link