Der Justiz eines fremden Landes traut man gerne etwas weniger als der eigenen. Bei der Entscheidung eines Landgerichtes in Südfrankreich, betreffend die Auslieferung von Helmut Elsner dürfte diese Skepsis allerdings unbegründet sein. Wer die öffentlichen Verhandlungen in den letzten Wochen mitverfolgte, erhielt den Eindruck, dass die Richter keine Sonderrechtsprechung betrieben. Der – in dieser Sache zumindest vorentscheidende – Staatsanwalt nahm weder terminlich noch inhaltlich Rücksichten auf die Wahlen in Österreich.

Die Entscheidung entspricht gesundem Menschenverstand: Ein kranker Häftling wird innerhalb der EU erst ausgeliefert, wenn er transportfähig ist – dann aber in jedem Fall. Anders gesagt war es vielleicht sogar gut, dass im aktuellen Wahlkontext nicht ein Wiener Gericht über Elsner zu befinden hatte.

Bleibt ein Problem: die Freilassung auf Kaution. Sie entspricht wohl strafprozeduralen Gepflogenheiten; nur gemeingefährliche Verbrecher oder solche, die etwas verbergen könnten, werden in derartigen Fällen in Haft gehalten. Doch befriedigt sie nicht die Gefühle des Volkes, das den Bawag-Chef nun einmal hinter Gitter sehen will. "Und wenn er die Million zusammenbringt und abhaut?", fragen vor den Wahlen nun aufrechte Bürger. Dann ist – zynisch gesagt – erwiesen, dass er erstens trotz Kontensperre Geld "auf der Seite" hatte und dass er zweitens eben doch transportfähig war.

Aber etwas lässt sich nicht sagen: dass die bedingte Freilassung in Frankreich "wieder einmal" auf einem politischen Gemauschel beruhe. Die Komplott-Rufer von FP-Seite können sich beruhigen: Der Volkszorn darüber, dass Elsner eventuell in seine Villa an einem Jetset-Ort der Côte d'Azur darf, wird eher ihnen, nicht den politischen Gegnern in die Hände spielen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.9./1.10.2006)