Graz - "Ich war der Dorftrottel. Meine Freunde hielten mich für völlig verrückt und meine Feinde für eine Lügnerin." So beschreibt die mittlerweile zu den bekanntesten Naturwissenschafterinnen der Welt zählende Ada Yonath die rund 20 Jahre, in denen sie versuchte, die komplexe Struktur des Ribosom - der Proteinfabrik der Zelle - zu entschlüsseln. Wahrscheinlich half auch die Geschichte von den Polarbären, die Yonath mit ihrem Winterschlaf zu ihren Forschungen inspirierten, nicht sonderlich, um von den internationalen Kollegen ernst genommen zu werden.

Doch dann kam alles anders: Durch ihre kristallografischen Untersuchungen konnte die in Jerusalem geborene Yonath, die in Israel und am Berliner Weizmann Institut studierte, den Code dieses für seine Instabilität berüchtigten Komplexes im Jahr 2000 knacken. Ein Jahr später fand die Forscherin, die bis zuletzt für den diesjährigen Chemie-Nobelpreis im Gespräch war (siehe oben), auch noch heraus, wie Antibiotika funktionieren. "Innerhalb von zehn Tagen haben sich damals alle Pharmakonzerne der Welt bei mir gemeldet", erzählte Yonath am Mittwoch in Graz, wo sie an der Medizin-Uni die erste "Otto Loewi Memorial Lecture" halten wird.

Otto Loewi war neben Ludwig Boltzmann einer der bekanntesten Naturwissenschafter, die je an der Karl-Franzens-Uni in Graz lehrten und forschten. Während seiner 27 Jahre in Graz entdeckte er 1921, dass die Weiterleitung von Nervenimpulsen über die Synapsen kein physikalischer, sondern ein chemischer Vorgang ist. 1936 wurde Loewi dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Seine Karriere in Graz beendete er - wie 47 Kollegen - unfreiwillig. Er musste fliehen, weil er Jude war, und wurde gezwungen, seine Nobelpreissumme den Nazis zu überlassen.

Die Loewi-Lectures werden alle zwei Jahre stattfinden und sollen gemeinsam mit den David-Herzog-Fonds-Stipendien der Karl-Franzens-Uni interkulturelles Verstehen und Lernen fördern, wie Med-Uni-Rektor Gerhard Franz Walter, Vizerektorin der Karl-Franzens-Uni, Roberta Maierhofer, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Graz, Gérard Sonnenschein, und der israelische Botschafter, Dan Ashbel, ausführten. (Colette M. Schmidt/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5. 10. 2006)