Zur Person:

Florian Hartleb (27) ist Mitarbeiter mit Schwerpunkt Populismusforschung am Institut für Politikwissenschaft in Chemnitz.

Foto: STANDARD/TU Chemnitz
STANDARD: Politiker müssen sich gut ausdrücken und komplexe Sachverhalte einfach erklären können. Wo liegt da die Grenze zum Populismus?

Hartleb: Jeder Politiker muss ein bisschen Populist sein. Das ist natürlicher Bestandteil der Demokratie. Aber ins Extreme gleitet es ab, wenn man gezielt Tabubrüche begeht, wie es Haider tat. Und wenn man die Karte spielt: Wir da unten gegen die Elite da oben. Westenthaler und Strache haben das gut von ihm gelernt. Vor allem Strache präsentiert sich auch wie Haider früher als frech, und jung - im Gegensatz zum etablierten Berufspolitiker.

STANDARD: Auf welchem Nährboden gedeiht Populismus gut?

Hartleb: Sicher, wenn er gegen eine große Koalition geht. Das haben wir nicht nur in Österreich gesehen, sondern auch beim Erfolg der NPD in Mecklenburg-Vorpommern. Populismus braucht auch ein Feindbild, etwa den Islam. Die FPÖ hat nicht umsonst "Daham statt Islam" plakatiert.

STANDARD: In Österreich hat die Einbindung der Rechtspopulisten in die Regierung deren Bestand nicht gefährdet. Paris fährt mit der Ausgrenzung von Jean-Marie Le Pen einen anderen Kurs. Was ist klüger?

Hartleb: Da erleben Sie mich jetzt ein wenig ratlos, und ich verstehe auch die Ratlosigkeit in Österreich. Weil normalerweise führt Einbindung zu Entzauberung. Viele NPD-Politiker sind etwa rhetorisch so schlecht, dass man sie ruhig im TV zeigen kann. Aber Österreich ist ein Sonderfall, es gibt dort eine gewisse Stammklientel. Also müssen sich die anderen Parteien mehr mit den Ängsten der Wähler auseinandersetzen.

STANDARD: Kann man - auch mit Blick auf Osteuropa - noch zwischen Links- und Rechtspopulismus differenzieren?

Hartleb: Es gibt einen Trend zum postmodernen Populismus, mit dem man um Modernisierungsverlierer buhlt. Oskar Lafontaine von den Linken spricht ja auch gegen "Fremdarbeiter" aus. Was Osteuropa betrifft: Man muss beachten, dass dort die politische Gesprächskultur generell noch nicht so ausgeprägt ist wie in Westeuropa. Das ist nicht alles automatisch populistisch. (Das Gespräch führte Birgit Baumann, DER STANDARD, Print, 5.10.2006)