Belgrad - Die stellvertretende serbische Regierungschefin Ivana Dulic-Markovic hat bezweifelt, dass der seit zehn Jahren als Kriegsverbrecher angeklagte bosnisch-serbische General Ratko Mladic in absehbarer Zeit verhaftet wird. Keine Partei könne sich erlauben, vor den in einigen Monaten geplanten Parlamentswahlen den in der Bevölkerung immer noch beliebten General an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag auszuliefern, sagte die Politikerin der Zeitung "Gradjanski list" in Novi Sad. "Ich bezweifele, dass irgendjemand mit einer Verhaftung von Mladic in die Wahlkampagne gehen kann".

"Aktionsplan"

Schon zuvor hatte die oppositionelle Demokratische Partei von Staatspräsident Boris Tadic behauptet, trotz aller gegenteiliger Beteuerungen unternehme die Regierung nichts zur Verhaftung von Mladic. Sie habe nicht den politischen Willen, ihn dingfest zu machen. Die serbische Regierung hatte mit der EU vor Monaten einen "Aktionsplan" zur Ergreifung des Generals verabredet, dem Massaker im Bürgerkrieg (1992-1995) mit mehr als 10 000 Toten vorgeworfen werden. Die Verhaftung und Auslieferung von Mladic ist die Voraussetzung, dass die EU die im Mai ausgesetzten Verhandlungen über eine Annäherung Belgrads an Brüssel wieder aufnimmt.

Del Ponte: Zeitplan nicht einzuhalten

Die Anklägerin beim UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien, Carla Del Ponte, hat indessen den Zeitdruck auf dieses internationale Gericht kritisiert. Die Vorgabe des UN-Sicherheitsrates, alle Verfahren bis 2010 rechtskräftig zu beenden, sei nicht einzuhalten, sagte sie am Freitag in Den Haag. Ähnlich äußerte sich ihr Kollege Hassan Jallow vom Ruanda-Tribunal. Beide verwiesen darauf, dass immer noch wichtige Angeklagte flüchtig sind.

"Enormer Druck"

Del Ponte beklagte, beide Gerichte stünden unter "enormem Druck" seitens des UN-Sicherheitsrats. Für das nächste Jahr sagte sie finanzielle Pressionen voraus. Mehrere UN-Mitgliedstaaten seien der Auffassung, das Tribunal könne nicht mehr weiter von den Vereinten Nationen finanziert werden. "Was sollen wir dann tun?", fragte Del Ponte bei einer Konferenz der Chefankläger internationaler Gerichte.

Unvorstellbar

Es sei unvorstellbar, dass beispielsweise der ehemalige Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, oder sein Militärchef Ratko Mladic vor ein Gericht in ihrem Land gestellt würden, sollten sie überhaupt verhaftet werden. Del Ponte regte an, den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) mit den Fällen zu beauftragen, die die zeitlich begrenzten UN-Tribunale nicht erledigen können. Doch gab sie gleichzeitig zu bedenken, dass dieses Gericht nur von 102 Staaten anerkannt werde.

Bilanz

Insgesamt zogen die Ankläger eine positive Bilanz zur Entwicklung der internationalen Strafjustiz. Die internationale Gemeinschaft habe in den vergangenen Jahren deutlich gemacht, dass Kriegsverbrechen und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht länger straflos bleiben dürfen. IStGH-Ankläger Luis Moreno-Ocampo sagte, größte Herausforderung bleibe der Kampf gegen ungleiche Maßstäbe.

Zurückhaltend

Eher zurückhaltend äußerten sich die Ankläger über die versöhnende Wirkung der internationalen Strafjustiz. Verurteilte Straftäter aus dem Bürgerkrieg in Ruanda zeigten keinerlei Reue und fühlten sich ungerecht behandelt, berichtete Jallow. Del Ponte sagte, in Bosnien zum Beispiel sorgten internationale Truppen für Ruhe, doch die verschiedenen Bevölkerungsgruppen seien bereit, gegebenenfalls wieder gegeneinander zu kämpfen. (APA/dpa)