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Hannah Arendt
Geboren am 14. Oktober 1906 in Hannover
Gestorben am 4. Dezember 1975 in New York
Foto: Archiv
Nonkonformistisch, unbestechlich, eigenwillig und folglich sehr umstritten, das war Hannah Arendt, die als eine der bedeutendsten DenkerInnen gilt. Als sie, die sich selbst gegen die Bezeichnung "Philosophin" verwehrt hat - denn politische Theorien von und über Politik seien es, um die es ihr gegangen, im Jahr 1959 den Lessing-Preis erhielt, äußerte sie sich in ihrer Rede zu den Begriffen "Vergangenheitsbewältigung" und "Kollektivschuld" wie folgt:

"Hier hat natürlich auch die dem Außenstehenden so auffällige tiefe Ungeschicklichkeit der Deutschen ihren Grund, sich in einem Gespräch über die Frage der Vergangenheit überhaupt zu bewegen. Wie schwer es sein muss, hier einen Weg zu finden, kommt vielleicht am deutlichsten in der gängigen Redensart zum Ausdruck, das Vergangene sei noch unbewältigt, man müsse erst einmal daran gehen, die Vergangenheit zu bewältigen. Dies kann man wahrscheinlich mit keiner Vergangenheit, sicher aber nicht mit dieser. Das höchste, was man erreichen kann, ist zu wissen und auszuhalten, dass es so und nicht anders gewesen ist, und dann zu sehen und abzuwarten, was sich daraus ergibt".

Biografisches

Geboren am 14. Oktober 1906 in Linden bei Hannover, wächst Hannah Arendt als Tochter von Martha und Paul Arendt, einem Ingenieur, in einem sozialdemokratischen jüdisch-assimilierten Elternhaus in Königsberg auf. 1924 beginnt sie mit dem Studium der Philosophie, Theologie, Klassischen Philologie und Griechisch in Marburg, Freiburg im Breisgau und Heidelberg. Besonders verbunden fühlt sie sich mit Martin Heidegger, Edmund Husserl und Karl Jaspers. Bei letzterem promoviert sie 1928 über den "Liebesbegriff bei Augustin".

Ein Jahr später übersiedelt sie nach Berlin, wo sie den Philosophen Günther Anders (vormals Stern) heiratet. Diese Ehe wird jedoch 1937 wieder geschieden. Arendt beginnt mit Forschungen zur deutschen Romantik, die durch ein Stipendium der "Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft" gefördert werden. Ihre Studien sind 1933 in wesentlichen Teilen beendet, erscheinen aber erst 1959 unter dem Titel "Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik". In dieser für sie selbst wichtigen Auseinandersetzung mit den Bedingungen der gesellschaftlichen Assimilation von Jüdinnen und Juden versucht sie erstmals, das jüdische Dasein existenzphilosophisch zu erfassen.

Jahre der Haft und Emigration

1933 wird sie von der Gestapo verhaftet. Nach ihrer Entlassung flüchtet sie über Karlsbad und Genf nach Paris, wo sie als Sozialarbeiterin bei verschiedenen jüdischen Organisationen arbeitet und Mitglied in der World Zionist Organization wird. Sie freundet sich mit Walter Benjamin an. Im Jahr 1940 heiratet sie erneut und wieder einen Philosophen, den Dozenten Heinrich Blücher.

Nach einer mehrwöchigen Internierung im berüchtigten Auffanglager Gurs emigriert Hannah Arendt mit ihrem Ehemann und ihrer Mutter in die USA, wo sie politische Kolumnen für die deutsch-jüdische Wochenzeitschrift "Aufbau" schreibt und Forschungsleiterin der Conference on Jewish Relations wird. Danach, von 1946 bis 1949 ist sie als Cheflektorin im Salman Schocken Verlag tätig. Und zwischen 1948 und 1952 auch Direktorin der Jewish Cultural Reconstruction Organization zur Rettung jüdischen Kulturguts. In dieser Funktion reist sie erstmals nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder nach Deutschland.

Ursprünge totalitärer Herrschaft

1951 erhält Hannah Arendt die amerikanische Staatsbürgerschaft. In ihrem Hauptwerk "Origins of Totalitarianism" ("Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft", 1955) verbindet sie die Entstehungsbedingungen von nationalstaatlichem Totalitarismus im 19. Jahrhundert mit der Entstehung des Antisemitismus. Mit ihrem Totalitarismusbegriff untersucht sie außerdem die strukturelle Gleichheit von Faschismus und Stalinismus. Diese Arbeit etabliert sie als eine bedeutende gesellschafts- und politikwissenschaftliche Theoretikerin, wenngleich auch sehr umstritten.

Nach mehreren Gastvorlesungen in Princeton - hier ist sie erste dozierende Frau - und Harvard im Jahr 1951 erhält sie eine Professur am Brooklyn College in New York. 1958 wird sie korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Und wird 1959 mit dem Lessing-Preis der Stadt Hamburg ausgezeichnet.

Gesellschaftspolitische Analysen

In ihrer handlungstheoretischen Untersuchung "Vita activa oder vom tätigen Leben" im Jahr 1960 unterscheidet sie drei Typen menschlicher Aktivität: die Arbeit, das Herstellen und das Handeln. Arendt analysiert, dass seit dem Beginn der Moderne die Arbeit zu Lasten der politischen Handlungsfreiheit überhöht wird. Ein Jahr später berichtet sie über den Eichmann-Prozess in Jerusalem für die Zeitschrift "New Yorker". Ihre Beiträge werden wegen der Kritik am Verhalten der Judenräte sowie der Darstellung Adolf Eichmanns selbst und seiner Motive kontrovers diskutiert.

Kurz darauf erscheinen ihre Artikel in Buchform unter dem Titel "Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht über die Banalität des Bösen". Ihre Untersuchung über die revolutionäre Begründung der Vernichtung politischer Herrschaft erscheint unter dem Titel "Über die Revolution".

Nachdem Hannah Arendt vier Jahre lang (1963 - 1967) eine Professur an der University of Chicago innehatte, wird sie an die New School for Social Research in New York berufen und 1968 zur Vizepräsidentin des Institute for Arts and Letters gewählt. 1970 veröffentlicht sie die Studie "Macht und Gewalt". Und wird 1973 Vorstandsmitglied im amerikanischen PEN-Zentrum.

Hannah Arendt stirbt am 4. Dezember 1975 in New York. (dabu / Quelle: Lemo-Biografien)