Wien - Jahrzehntelang lagen im Archiv der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland geheime Akten der berüchtigten Zentralstelle für jüdische Auswanderung und der Abteilung für Vermögensentziehung - einschließlich der Transportlisten mit den Namen jener jüdischen BürgerInnen, die aus Wien in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert worden sind. Nach ersten Schätzungen dürften es weit mehr als 100.000 Akten sein, die in der Finanzlandesdirektion in der Wiener Wollzeile lagerten und zum Teil noch lagern - ohne Kenntnis der Angehörigen der Deportierten und Enteigneten, aber auch der Opfer-VertreterInnen und HistorikerInnen. Etwa 85.000 Akten wurden zu Beginn dieses Jahres ins Archiv der Republik überstellt und werden seit damals von ArchivarInnen aufgearbeitet. Die Akten dokumentierten nicht nur die Deportationen der JüdInnen aus Österreich (und damit den Anfang der physischen Vernichtung), sondern auch die letzte Etappe der Enteignungen unter Mitwirkung der Banken. Außerdem belegen sie, dass die österreichischen Behörden bereits in den ersten Nachkriegsjahren über Umfang und Inhalt der Enteignungen und der Entrechtung, einschließlich der einzelnen Abtransporte in Gettos und KZ umfassend informiert waren. Erste Reaktion des Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Ariel Muzicant: "Das ist eine derartige Ungeheuerlichkeit, die allein Klagen in dreistelliger Milliarden-Höhe auslösen müsste." (red) Start der Serie von Hubertus Czernin