Ordentlich auf die Schulter klopfen, und ab zischt der Ball des mehrfach ausgezeichneten "Pit Green"

Foto: Rutan
Es gibt Ideen, die reichen für ein ganzes Leben. Tipp Kick war so eine, das Spiel mit den Fußballern, denen man auf den Kopf haut, damit sie einen eckigen Ball treten. "So etwas können wir auch", dachten sich vier junge Designer aus Frankfurt und Zürich und brüteten an einem Wirtshausabend über einer Idee, die einem von ihnen schon länger im Kopf herumgeschwirrt war. Aus der Schnapsidee wurde Wirklichkeit, angetrieben durch ihre bevorstehende Teilnahme am Nike Play Award beim Berliner Designmai 2004.

Nach einem Wochenende in der Schweiz und einigen Bastelstunden mit Draht, Klopapierrollen und Schaumstoff waren die ersten Prototypen von Pit Green fertig. So nannten seine Schöpfer des Designbüros "rutan GmbH" ihre Entwicklung, mit der die Welt fortan Mikrogolf spielen sollte. Eine Sportart, nach der keiner verlangt hatte. Die aber nun, nach der Sonderauszeichnung "Innovations in Sports Gear" beim Nike Award und fast zwei Jahren Entwicklungszeit, bestens ankommt, wie der Designer Oliver Johansson berichtet. 7500-mal hat sich Pit Green schon verkauft, das knapp zwölf Zentimeter große Männchen aus weißem Kautschuk und Polyamid, mit goldenem Golfschläger und Antriebsstab ("Slider") im Rücken.

Bis Ende des Jahres will man die 10.000er-Marke erreicht haben, geplant sind Sondereditionen in Schwarz und eine Figur für Linkshänder.

Mikrogolf ist Schreibtischsport, Managersport, Verrücktensport - und zugleich ist das schicke Spielzeug ein Produkt, das auch Menschen begeistert, die mit Golf überhaupt nichts am Hut haben. "Viele kaufen ihn einfach als Designobjekt", sagt Johansson und erzählt, wie groß seine Erleichterung war, als er den ersten Mikrogolfer vor einem Jahr los wurde - wildfremde Passanten in einem Frankfurter Park nahmen ihm das Männlein ab. Dabei waren sich die "rutan"-Designer im Grunde ihres Herzens sicher, ihr Entwurf würde ein Erfolg werden, denn: "Man muss Produkten Leben einhauchen, sonst sind sie nicht vermittelbar", sagt Johansson. Und spielt auf seine Designausbildung an, in der strenger Formalismus gepflegt wurde und jedes Objekt quasi einem höheren Zweck dienen musste. "Mit Pit Green haben wir etwas völlig Zweckfreies gestaltet - das aber Spaß und Emotionen bringt. Und das ist das Wichtigste."

Telefonturm von Santiago Calatrava

Inspiration für die Formgebung holten sich die Designer aus Barcelona: Wer sich ein Bild des dortigen Telefonturms von Santiago Calatrava anschaut, mag dies verstehen - zumindest ähnelt Pit Greens Beinschwung dem Fuß des Turms.

Aber er ist ein ganz eigenständiges Männchen, dem man sogar gesundheitsfördernde Auswirkungen bescheinigen könnte. Schließlich schult der Mikrogolfer die Feinmotorik. Nicht nur die Bewegungsabläufe von Händen, sondern auch jene von Mund und Fuß, Gesicht und Augen. Alles Muskeln, die im Büroalltag beim Starren auf den Bildschirm gerne einmal zu kurz kommen. Wer seine Feinmotorik trainiert, kann besser denken, weil dann beide Gehirnhälften besser miteinander kommunizieren, Gedächtnis, Konzentration und Sprache gestärkt werden. Vorher muss man sich aber mit der Mechanik des Designobjektes vertraut machen. Ein wenig fitzelig ist das Hantieren mit dem Slider schon. Doch sobald man den Dreh mit dem Slider im Rücken raus hat und die Kraft richtig dosiert, lässt sich der Ball bis zu einen Meter hoch und acht Meter weit spielen. Zumindest schaffen das ganz Geübte, versichern die Designer. Professionell ausgerüstet ist das Golfmanderl jedenfalls mit verschiedenen Eisen, ganz wie die großen Golfer. Allerdings ohne deren Handicap. Für Pit Green ist nämlich jeder Winkel ein Parcours. (Mareike Müller/Der Standard/Rondo/13/10/2006)