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Putin wirbt für Investitionen im Westen, droht aber westlichen Investoren.

Foto: Reuters/Michael Dalder
Moskau - Neu ist die Rüge nicht, und wahrscheinlich wird sie Russland auch nicht besonders stören. In einer Reihe von Sektoren der russischen Wirtschaft gehe eine "sanfte Nationalisierung" vor sich, hat US-Handelsminister Carlos Gutierrez in der Vorwoche kritisiert und gefordert, Russland möge als bedeutender Spieler auf dem Weltenergiemarkt "klare und verständliche Signale hinsichtlich seiner Entwicklungsstrategie" abgeben.

Die Weltbank sekundierte: in einem Bericht machte sie als größtes Problem bei Investitionen aus, dass die "staatliche Wirtschaftspolitik unberechenbar" sei. Firmen hätten keine Investitionssicherheit.

Die Beunruhigung kommt nicht von ungefähr. Vorige Woche hat der staatlich kontrollierte Gasmonopolist Gasprom erklärt, keine ausländischen Partner für Schtokman, das weltgrößte Offshore-Gasfeld, zu brauchen. Fünf Firmen warten seit Jahren auf den Zuschlag. Gasproms Schwenk kam unerwartet. So wie schon kurz vorher der Schlag gegen das von Shell (55 Prozent) und zwei japanische Konzerne (45 Prozent) betriebene Flüssiggas-Großprojekt Projekt "Sachalin 2" im Pazifik. Gasprom will Anteile, daher wurde Shell die umweltrechtliche Genehmigung entzogen.

Staatliche Regulierung

Die russische Führung betreibt eine Rückkehr zur staatlichen Regulierung der Wirtschaft. Es geht um die Schaffung so genannter "strategischer Branchen".

Definitionen dafür fehlen seit Jahren. Jetzt hat das Energieministerium einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der ausländische Anteile in folgenden Branchen auf 50 Prozent beschränkt: Energie, Waffen, Sicherheitstechnologie, Luft- und Raumfahrt, Atomenergie, Bergbau und bedeutende Rohstoffvorkommen. Die Schwelle, ab der Rohstoffvorkommen als strategisch eingestuft werden, wird teilweise um die Hälfte gesenkt.

In Wirklichkeit folgt Russland einem weltweiten Trend zur Definition strategischer Sektoren. China plant soeben eine entsprechende Schutzbehörde. Der US-Senat verhinderte kürzlich den Einstieg der arabischen Dubai Ports World bei der britischen P&O, die sechs zentrale US-Häfen managt. Dem chinesischen Ölkonzern CNOOC wurde der Kauf des US-Konzerns Unocal verwehrt. Italien wehrte den Kauf der Bank Antonveneta durch die holländische ABN Amro ab.

Russland ist extremer. Zur Abwehr des ausländischen Kapitals kommt die Renationalisierung zu Hause. Seit der Renationalisierung des Yukos-Konzerns hat der Staat die Kontrolle über die Wirtschaft von 50 auf 70 Prozent ausgeweitet. Schon im Vorjahr produzierten allein die zehn größten staatlichen Konzerne 20 Prozent des BIP. Längst geht der Hunger der entfesselten Kremlbürokraten über den Öl- und Gassektor hinaus. Telekom und Autoindustrie werden interessant, Metallurgie und Transport ohnehin. Gleichzeitig werden längst geplante Privatisierungen - wie etwa der Fluggesellschaft Aeroflot - verzögert.

Deutschlandbesuch in Trachtenanzug

Vor dem Hintergrund der Abwehr ausländischen Kapitals und der Renationalisierung strebt Russland aber selbst nach einer stärkeren Wirtschaftspräsenz im Ausland. Putin warb dafür jüngst bei seinem Deutschlandbesuch in einem Trachtenanzug. Gasprom hat einige deutsche Energieunternehmen im Visier - den Stromkonzern RWE, den Mischkonzern RAG und den Oldenburger Versorger EWE. Es ist auch eine direkte Beteiligung an Stadtwerken geplant. Gasprom wird 2007 Hauptsponsor des Fußballclubs Schalke 04.

Österreich hat soeben zugestimmt, dass zwei Gasprom-nahe Firmen 1,8 der 7,0 Mrd. m3 Importgas aus Russland in Kärnten, Salzburg und Steiermark direkt vermarkten dürfen. (Eduard Steiner, Moskau, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.10.2006)