Bild nicht mehr verfügbar.
Zur Person
Albert Rohan ist Vize-Chefverhandler für den Kosovo und war bis 2001 Generalsekretär im Wiener Außenministerium.
STANDARD: Serbiens Präsident Boris Tadic hat gebeten, angesichts der Wahlen im Dezember die Veröffentlichung des UN-Vorschlags über den künftigen Status des Kosovo zu verschieben.
Rohan: Es liegt uns keine solche Bitte vor. Es wurde ja auch noch keine Entscheidung über einen Wahltermin getroffen. Wir haben also bis dato überhaupt keinen Grund, unseren Zeitplan zu ändern.
STANDARD: Wenn die Bitte kommt – wird ihr stattgegeben? Rohan: Ich könnte mir schon vorstellen, dass eine so grundlegende Frage wie der Kosovo-Status in einer Vorwahlzeit nicht leicht zu entscheiden ist. Dafür habe ich Verständnis. Aber letztlich ist das eine Frage, die von der Kontaktgruppe abhängt.
STANDARD: Wird sich das Wort „Unabhängigkeit“ im UNO-Vorschlag wieder finden?
Rohan: Ich kann Ihnen das nicht sagen, weil ich es selbst nicht weiß. Wir werden dem Generalsekretär dieses Dokument frühestens Ende November überreichen. Bis dahin arbeiten wir intensiv daran. Was ich sagen kann, ist, dass die Vorschläge vor allem Maßnahmen zugunsten der serbischen Gemeinschaft im Kosovo betreffen.
STANDARD: Russland, so heißt es, käme ein unabhängiger Kosovo gar nicht so ungelegen – Stichwort Unabhängigkeit von Abchasien. Ist Kosovo ein Präzedenzfall?
Rohan: Die Besonderheiten des Kosovo ergeben sich vor allem aus seiner Geschichte und aus den Ereignissen der letzten zwei Jahrzehnten, seit Miloševic die Autonomie des Kosovo beseitigt hat. Die Resolution 244 des UN-Sicherheitsrates sieht vor, dass der künftige Status des Kosovo im Rahmen eines politischen Prozesses bestimmt werden soll. Das heißt, dass der Status anders sein muss als der vorhergehende. All dies zeigt, dass der Kosovo tatsächlich ein Sonderfall ist.
STANDARD: Fürchten Sie, dass es durch das Verfassungs-Referendum Ende Oktober zu einer weiteren Destabilisierung der Region kommt?
Rohan: Ich sehe die Gefahr einer Destabilisierung durch das Referendum nicht. Es ist das gute Recht Serbiens, ein solches abzuhalten und die neue Verfassung war auch deshalb notwendig, weil die Miloševic-Verfassung von völlig anderen Umständen ausgegangen ist. Die größere Gefahr der Destabilisierung sehen wir, wenn die derzeitige unklare Situation aufrechterhalten bleibt. Der Kosovo ist das letzte, übrig gebliebene Problem aus dem Zerfall Jugoslawiens. Das müsste jetzt ein für allemal gelöst werden.
STANDARD: Was ist eine Lösung wert, die von einer Seite nicht anerkannt wird?
Rohan: Wir wünschen uns natürlich, dass beide Seiten unsere Vorschläge akzeptieren. Aber ich fürchte, dass dies – wenn es um den Status selbst geht – wie ein Wunsch ans Christkind ist. Wir müssen immer in Alternativen denken: Wäre es besser, mangels einer Einigung, überhaupt keine Lösung vorzuschlagen? Das würde eine Fortsetzung des derzeitigen Zustandes bedeuten, nämlich der UNO-Verwaltung. Und das will wohl niemand. Wir müssen uns daher um eine vernünftige Lösung bemühen, auch wenn sie nicht alle befriedigt.
STANDARD: Fürchten Sie, dass die Radikalen in Serbien wieder an die Macht kommen?
Rohan: Wir können uns nicht in die internen Angelegenheiten von Serbien einmischen. Deshalb kann ich dazu nicht Stellung nehmen.
STANDARD: Der Ex-Regierungschef des Kosovo, Haradinaj, soll im Frühjahr in Den Haag vor Gericht gestellt werden. Kann das zu Unruhen führen?