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Benjamin Raich bei seinem Sieg im Riesenslalom beim Weltcupfinale 2006 in Aare, wo im Februar 2007 die WM stattfindet.

Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay
der Standard: Wie war der Sommer? Raich: Sehr schön, aber für uns Skifahrer ist er kurz, dauert nur einen Monat. Den Juli hab' ich im Pitztal verbracht, und das war gut. Im August waren wir schon wieder in Neuseeland. Es gab viel Schnee, das Training war ideal.

STANDARD: Haben Sie skifahrerisch etwas dazugelernt?
Raich: Das hoffe ich. Große Sprünge sind nicht möglich, man feilt an Kleinigkeiten.

STANDARD: Sind sie körperlich stärker geworden?
Raich: Bei den Tests sind ähnliche Werte herausgekommen wie in den vergangenen Jahren. Aber es war wieder ein Schritt nach vorne. Man baut ja ständig auf.

STANDARD: Gibt es in der Kombination Raich, Skischuh, Bindung, Ski etwas Neues, auf das der interessierte Beobachter schauen könnte?
Raich: Das sieht keiner. Es handelt sich um Details, die allerdings gravierende Auswirkungen haben können. Man probiert immer herum, bei der Technik, bei den Bewegungsabläufen. Mit 20 hab' ich geglaubt, mehr geht nicht. Jetzt weiß ich, dass ich heute viel besser fahre als damals.

STANDARD: Wie schaut der typische Arbeitstag im Oktober aus, also in der Endphase der Saisonvorbereitung?
Raich: Aufstehen um sechs Uhr, Training auf dem Gletscher, Mittagessen um zwölf, dann muss Zeit sein für den Mittagsschlaf. Am Nachmittag zwei Stunden Konditionstraining, Abendessen, Videoanalyse, massieren, schlafen gehen.

STANDARD: Sie fahren seit mehr als 20 Jahren Skirennen, seit gut zehn Jahren im Weltcup, sind nahezu das ganze Jahr unterwegs. Gibt es Momente, in denen Sie raus wollen aus der Mühle?
Raich: Das Gefühl habe ich noch nie gehabt. Aber es gibt Sachen, die sind nicht so nett. Manchmal wünsch' ich mir, dass ich in meinem Zimmer bleiben kann und nicht schon wieder Koffer packen muss. Die Fliegerei brauch' ich auch nicht, aber das ist zu akzeptieren. Wenn ich dann an einen anderen Ort komme, ist es wieder spannend. Im Grunde ist unser Leben schon abwechslungsreich.

STANDARD: Haben Sie einen Karrierefahrplan? Das Ende im Sport ist ja absehbar.
Raich: Ich lasse die Dinge an mich herankommen. Ich verschwende auch keine Zeit damit, mir zu überlegen, wie ich den Rücktritt am besten anlege. Ich fahr', solange ich Spaß habe. Und irgendwann wird die Zeit kommen, in der ich etwas anderes mache. So denke ich jedenfalls jetzt. Und es stimmt schon, in spätestens sieben, acht Jahren ist es sicher vorbei.

STANDARD: In den meisten Rennläuferkarrieren nimmt die Krankengeschichte großen Raum ein. Wie ist das bei Ihnen? Waren Sie jemals schwerer verletzt?
Raich: Eigentlich nicht wirklich. Mit 17, 18 hatte ich Rückenprobleme, einen Bandscheibenvorfall. Das lag am falschen Training. Für mein Können war ich damals viel zu schwach.

STANDARD: Sie kommen aus einem einfachen Haus. Vergleichsweise sind Sie jetzt sehr reich. Denken Sie manchmal darüber nach?
Raich: Es ist ein Vorteil, etwas auf der Kante zu haben. Ich hau' das Geld nicht raus, das interessiert mich überhaupt nicht. Wer zu viel daran denkt, hat ein Problem. Ich will am Boden bleiben.

STANDARD: Ihre Beziehung zu Rennfahrerkollegin Marlies Schild ist sehr öffentlich, zumindest oberflächlich. Wie gehen Sie damit um?
Raich: Das ist gar nicht so kompliziert. Wir sind beide dank unseres Berufs in der Öffentlichkeit, wir können uns nicht entziehen. Wenn wir gemeinsam an einem Ort sind, stimmen wir die Termine auch ab. Ansonsten verfolgt jeder seine Karriere. Ich mag nicht, dass mein Privatleben öffentlich ist. Im Allgemeinen wird das gut akzeptiert.

STANDARD: Haben Sie das Zeug zum Schauspieler?
Raich: Meine öffentlichen Auftritte, glaube ich, krieg' ich ganz gut hin. Es interessiert mich aber nicht so sehr, im Mittelpunkt zu stehen, das liegt mir gar nicht. So gesehen hab' ich kein Zeug zum Schauspieler.

STANDARD: Sind Sie praktizierender Katholik?
Raich: Ja.

STANDARD: Also spielt der Glaube auch in Ihrem Sportlerleben eine große Rolle.
Raich: Der Glaube gibt mir Kraft und die Gelegenheit, über das Leben nachzudenken, Andacht zu halten, zur Ruhe zu kommen, den Kopf woanders zu haben. Ich glaub', dass einiges falsch läuft in unserer Gesellschaft. Man sollte die Leute nicht daran messen, was sie haben, zum Beispiel ein tolles Auto, sondern daran, was sie sind. In Nepal sah ich Menschen, die hatten gar kein Geld, strahlten in ihrem Glauben aber Zufriedenheit aus. Im Vergleich hat bei uns jeder alles. Aber es fehlt die Demut.

ZUR PERSON: Benjamin Raich (28) kommt aus Arzl im Pitztal, auf dem elterlichen Bauernhof kann man Urlaub machen. Raich, mehrmaliger Junioren-Weltmeister, hatte im Vorjahr eine besonders gute Saison, gewann bei Olympia Slalom und Riesenslalom, im Weltcup die Gesamt- und die Riesenslalomwertung. (DER STANDARD; Printausgabe, Montag, 23. Oktober 2006; Benno Zelsacher)