Schwechat - "Ein Kollege sagte zu uns, hört zu, den heutigen Tag werden wir vermutlich nicht überleben, und ich sagte, da hat er Recht. Wir schüttelten uns die Hände und gingen auseinander. Und alle Kollegen, die um mich standen, sind heute tot", berichtete Jay Jonas, der heute 44-jährige Feuerwehr-Kommandant. Er hat das Inferno im Treppenhaus B des Nordturms überlebt und schilderte seine Erlebnisse jetzt rund 100 Feuerwehrleuten des Wiener Flughafens und angrenzender Gemeinden. 2001 wurde er zum Man of the Year gekürt.

Jonas, als einer der ersten Einsatzkräfte zum World Trade Center (WTC) gerufen, glaubte zunächst, es reiche, die fünf Stockwerke über- und unterhalb des Lochs, das der Flieger hinterließ, zu evakuieren. Doch es kam anders. Als sich Jonas' Gruppe vier Stunden nach dem Turm-Einsturz durch Berge von Schutt und heißem Stahl kämpfte und in scheinbarer Sicherheit wiegte, gingen plötzlich Schüsse los: "Wir stießen, wie sich später herausstellte, auf ein Waffenlager des Geheimdienstes, das plötzlich in die Luft ging, und wir hatten entsetzliche Angst, getroffen zu werden." Jonas, etwa 1,90 groß, fest gebaut und die Ruhe in Person, ging fünf Tage nach dem Horror zum Arzt und wollte wissen, was er denn nun tun solle. Der Arzt schaute ihn nur groß an und meinte: "Sie können tun, was Sie wollen, Sie können in den Krankenstand gehen, weiter zur Arbeit oder in Pension." Jonas: "Ich dachte, wenn ich jetzt in Pension gehe, dann verbringe ich die restliche Zeit meines Lebens damit, mit einem Psychiater die Erlebnisse zu besprechen. Also entschied ich mich, weiterzuarbeiten." Vier Wochen später, am 11. Oktober 2001 habe er wieder zu arbeiten begonnen. Jonas: "Ich sagte dem Arzt, dass ich Probleme mit den Augen hätte, also bin ich die nächsten 14 Tagen nicht Auto gefahren."

343 Tote in 39 Minuten

Zur Erinnerung: An 9/11 starben in New York 2749 Menschen, nachdem zwei Flugzeuge im Abstand von 18 Minuten in die Twin Towers krachten. An diesem 11. September starben in nur 39 Minuten 343 Feuerwehrleute. Zum Vergleich: In der 136- jährigen Geschichte New Yorks starben zuvor 752 Feuerwehrleute bei Einsätzen. Monatelang, so Jonas, fanden nach den Anschlägen Begräbnisse von Kollegen statt. "Ich erinnere mich an einem Samstag, da gab es zehn Begräbnisse von Feuerwehr-Kollegen, acht davon kannte ich persönlich." Man musste sich also entscheiden, auf welche Beerdigung man gehe, so Jonas.

Das WTC sei zu rasch - nämlich in nur drei Jahren Bauzeit - errichtet worden und habe zudem nicht den Bauvorschriften entsprochen: Es war in Leichtbauweise mit 60 Prozent Stahl und 40 Prozent Beton errichtet worden. Wäre das Verhältnis umgekehrt gewesen, die Türme wären nicht eingestürzt.

Im WTC gab es zwar 99 Aufzüge, aber nur drei Stiegenhäuser - pro Wolkenkratzer mit 110 Stockwerken. Die Brände loderten noch fast acht Monate lang. Manhattan sah im September aus wie nach einem Schneesturm, übersät mit riesigen Papierstücken. (Claudia Ruff; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.10.2006)