Nantes - Die Tour de France hat ihren neuen Sonnyboy. "Millar, der Dandy" oder "Millar, der Charmeur" nennen Frankreichs Medien den Tour-Neuling. Er füllt die Lücke, die der smarte italienische Sprinter Mario Cipollini durch sein Fehlen hinterließ. "Auf der Straße haben die Zuschauerinnen nur noch Augen für ihn. Wenn er weiter Junggeselle bleiben und allein in Biarritz leben will, wird sich David Millar unter seinem Kilt verstecken müssen", ahnte bereits die Boulevardzeitung "France-Soir". Künftiger Sieger? Der auf der Insel Malta geborene Sohn eines Jet-Piloten, der auf Grund der Arbeit seines Vaters länger in Hongkong ("meine wahre Heimat") als in Schottland gelebt hat, beeindruckt jedoch nicht nur mit Charme. Seine Energie, sein eiserner Wille und seine sportlichen Leistungen haben dem Globetrotter schnell die Sympathien des Publikums eingebracht. Manche sehen ihn sogar schon als künftigen Tour-Sieger, obwohl er in der Weltrangliste erst auf Rang 309 auftaucht. "Als Bergfahrer wie auch außergewöhnlicher Zeitfahrer hat er das Profil eines künftigen Siegers der Tour de France", schrieb am Mittwoch Frankreichs auflagenstärkste Zeitung "Ouest-France" über ihn. Auch ein spektakulärer Sturz mehrerer Fahrer kurz vor dem Ziel der dritten Etappe in Nantes konnte ihn am Montag nicht daran hindern, das Gelbe Trikot zu verteidigen. Im Gegenteil, seine Geistesgegenwart brachte ihm weitere Sympathien ein. "Ich war gezwungen, entweder auf einen Strohballen oder die Fahrer zu fallen, da habe ich den Strohballen vorgezogen", erklärte Millar später mit einem jungenhaften Lächeln auf den Lippen. Der Schotte ist im Radsport ein Phänomen. Mit knapp 16 Jahren kam er in Hongkong zum Radsport - einem Umfeld, das nicht gerade dafür geeignet ist. Millar: "Dort unten weiß man nicht einmal, was die Tour de France ist, und ich selbst habe die ersten Bilder davon 1992 gesehen. Ich frage mich heute noch, wieso ich auf einmal darauf Lust bekam." Erste Station BMX Er begann zunächst auf BMX-Rädern die relativ begrenzten Freiräume eines Nationalparks zu durchstreifen, bevor der Wunsch aufkam, Profi zu werden. "Als meine Eltern geschieden wurden, bin ich zu meiner Mutter und meiner Schwester nach London gekommen. Da erst habe ich mit 15, 16 Jahren angefangen, Rennrad zu fahren." Mit 19 Jahren klopfte er dann in Frankreich bei einem Radsportclub in Nantes an, wo der Vertrag aber am Fehlen einer geeigneten Wohnung für ihn scheiterte. In St. Quentin bei Paris klappte es dann mit dem ersten Vertrag. Lange blieb er dort nicht. Cofidis-Teamchef Francois Migraine erkannte das Potenzial des jungen Schotten und besorgte ihm 1997 nicht nur in Biarritz eine Wohnung, sondern gab ihm auch einen langfristigen Vertrag bis Ende 2003. Obwohl sich Millar schon im vergangenen Jahr Tour-fit fühlte, hatte Migraine seinen Schützling noch geschont. In seinen Anfangstagen bei Cofidis hatte er den Vorjahressieger der Tour, Lance Armstrong, kennen gelernt, den er bei diesem Team eigentlich hatte unterstützen sollen. Das freundschaftliche Verhältnis zu seinem einstigen Teamkapitän aus Texas, der sich damals gerade von seiner Krebsbehandlung erholte und von seinem Team schwer im Stich gelassen fühlte, hat sich allerdings etwas getrübt. Beim Kampf ums Gelbe Trikot ist er heute Millars heftigster Konkurrent. (APA/dpa)