Geschlechterpolitik
Kindschaftsrecht:
SPÖ gegen gemeinsame Obsorge nach Scheidung
Wien - Die gemeinsame Obsorge nach einer Scheidung, die am Dienstag im Rahmen des neuen Kindschaftsrechts im Ministerrat
beschlossen wurde, stößt bei der SPÖ auf Ablehnung. Die Wiener Frauenstadträtin Renate Brauner sprach sich "mit aller
Deutlichkeit" gegen diesen Vorschlag aus. Die SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Barbara Prammer nannte die Maßnahme einen "frauen- und
familienpolitischen Nonsens". Druck auf die Mutter
"Gemeinsame Obsorge heißt im Klartext Abhängigkeit des einen Elternteils vom anderen Elternteil. In der Regel bedeutet das vor allem für
die Frauen einen großen Schritt zurück", sagte Brauner. "Statt Konflikte zu verringern, werden sie durch dieses Vorhaben vergrößert und die
Frau wird dadurch zur Bittstellerin gegenüber dem Mann. Dieser kann somit auch noch nach der Scheidung und auch dann, wenn die Kinder
bei
Gegen die Eigenständigkeit von Frauen
"Wer wirklich an einer gemeinsamen Verantwortung für die Kinder interessiert ist, hat zudem bereits jetzt die Möglichkeit, die gemeinsame
Obsorge vertraglich zu regeln. Viele Männer machen von dieser Regelung aber nicht Gebrauch", meinte Brauner. Für sie sei das ein Indiz
mehr, dass es, "wie in vielen anderen Bereichen auch", der neuen Bundesregierung nicht um die Verbesserung der Situation der Kinder oder
gar der Mütter gehe, sondern um Gesellschaftspolitik gegen die Eigenständigkeit von Frauen.
"Ich frage mich, wie die Alimentationszahlungen geregelt werden sollen, wenn beide Eltern obsorgeberechtigt sind", erklärte Prammer. Sie
sieht in dem Vorschlag "einen Rückschritt hinter die Errungenschaften der Familienrechtsreform der 70er Jahre, wenn zwar einem Elternteil
die Erziehungs- und Versorgungsarbeit überlassen wird, aber die Hälfte der gesetzlichen Obsorgerechte über die Kinder auch dem anderen
übertragen" werde. (APA)