Thimphu/Wien - Letzte Meldung aus Thimphu: Kandidaten, die keinen Universitätsabschluss haben, sind von den ersten Parlamentswahlen Bhutans im Jahr 2008 ausgeschlossen. - Auf dem Weg des kleinen, isolierten Himalaya-Staates in eine Demokratie treiben seltsame Blüten. Dennoch ist die Entwicklung bemerkenswert: Ein absolutistisch regierender König gibt einen Teil seiner Macht freiwillig ab und lässt eine Zwei-Parteien-Demokratie zu.

König Jigme Singye Wangchuck hat nach dem Studium von über 50 Verfassungen (darunter war auch der umstrittene Entwurf für die EU) ein Grundgesetz vorgelegt, in dem der König zwar noch Staatsoberhaupt bleiben soll, er aber jederzeit von einer von einer Zweidrittelmehrheit des zu wählenden Parlamentes gestürzt werden kann. Geplant ist ein Zwei-Kammer-Parlament mit 100 Mitgliedern, die Regierungsgeschäfte soll ein Premierminister führen.

Eine Volksabstimmung über den Entwurf soll es 2008 geben, denn dann stehen die Sterne den königlichen Astrologen zufolge günstig. Die Parlamentswahl ist ebenfalls für dieses Jahr angesetzt und der König plant auch, die Geschäfte an seinen Sohn Jigme Khesar Namgyel Wangchuck zu übergeben.

In mehr als 30 Jahren Regentschaft hat Jigme Singye Wangchuck einiges erreicht. Er hat das Land vorsichtig geöffnet und versucht , Bhutan behutsam aus dem Mittelalter ins 21. Jahrhundert zu führen. Die Alphabetisierungsrate ist zwischen 1983 und 2001 von 21 Prozent auf 47 Prozent gestiegen. Die ökonomische Situation der Bürger hat sich verbessert. Tourismus und Energiesektor bringen dringen benötigte Deviseneinnahmen für den Aufbau von Infrastruktur.

Zu verantworten hat der König aber auch eine chauvinistische "Bhutanisierungspolitik", die in den 1980er- und 1990er-Jahren zu Massenausweisungen und Massenflucht nepalesisch-stämmiger Bhutaner nach Nepal geführt hat. Noch heute leben mehr als 100.000 so genannten Lhotshampas in Flüchtlingslagern im benachbarten Königreich. Ob sie je nach Bhutan zurückkehren können, ist unklar.

Diese Flüchtlinge lehnen auch den Verfassungsentwurf des Königs vehement ab. Sie beschweren sich, dass sie im Verfassungsprozess nicht berücksichtigt worden seien. Außerdem würden weder ihre ethnischen oder religiösen Rechte geschützt. "Die Jugendlichen in den Flüchtlingslagern sind so frustriert, dass sie die Waffen erheben werden", sagte Tek Nath Rizal der Nachrichtenagentur Reuters. (pra/DER STANDARD, Printausgabe, 7.11.2006)