Wien - Sehr unterschiedlich reagierten zwei der bekanntesten Kunstsammler Österreichs auf die Auktions-Rekorde der vergangenen Nacht. "Es ist unglaublich, was Christie's mit seiner Propaganda gelungen ist", meinte Rudolf Leopold. Der Gründer und Direktor des Leopold Museums sieht eher eine Blase, die in Kürze platzen werde, als einen anhaltenden Boom. Im Gegensatz dazu glaubt Karlheinz Essl: "Das ist nicht das Ende der Fahnenstange. Schließlich ist ja kaum ein Schiele oder auch Klimt auf dem Markt. Zu diesen Versteigerungen kommt es ja nur mehr durch die Restitutionen."

Als "nicht überraschend" bezeichnete der Industrielle und Gründer des Essl-Museums in Klosterneuburg die Rekord-Ergebnisse. "Adele II" habe er auf rund achtzig Millionen Dollar (62,6 Mio. Euro) geschätzt, bei den weiteren Gemälde habe er nur mit 25 Millionen gerechnet, also "etwas zu gering", wie der Kunstsammler betonte. Diese hohen Preise für Gustav Klimts Arbeiten würden zeigen, dass "Klimt den gleichen Stellenwert hat wie Picasso". Rudolf Leopold dagegen verwies darauf, dass vor rund zwei Jahren in London ein besseres Bild "weniger als ein Zehntel" gekostet habe. Das "einzige wichtige Bild der Auktion" sei nun Kirchners "Berliner Straßenszene" gewesen, "und das hat die Neue Galerie gekauft".

"Nicht schlecht für die Szene"

Als "sensationell" bezeichnete Essl den Rekorderlös für Egon Schieles Papierarbeit "Kniender Halbakt nach links", der um 11,2 Millionen Dollar ersteigert worden war. Für Österreich wäre der Preis von insgesamt 192,7 Millionen Dollar, für die die gesamten vier Klimt-Gemälde versteigert wurden, "kein Thema und auch gar nicht vertretbar" gewesen, egal ob sich nun die Republik oder ein Privatmann darum bemüht hätte. Es sei jedoch "nicht schlecht für die Szene", wenn Klimt im Ausland gut vertreten sei.

Man habe allerdings versäumt, die Bilder anzukaufen. Im Gespräch sei die Summe von 30 Millionen Euro für alle vier Gemälde gewesen, "im Nachhinein ist das erdenklich wenig", so Essl. Auch Rudolf Leopold weist deutlich auf Fehler der Vergangenheit hin: "Ich habe der Österreichischen Galerie geraten, auf die vier Bilder zu verzichten, um die Goldene Adele behalten zu können. Ich weiß, dass das möglich gewesen wäre! Aber man hat das in den Wind geschlagen."

Bereits um sechs Uhr Früh hat sich Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder über die Ergebnisse der Klimt-Auktion im Teletext informiert. Und ist nicht begeistert: "Die Frage nach dem möglicherweise zu verhindern gewesenen Verlust ist von einem irrationalen Hype über teilweise mediokre Werke überschattet worden", so Schröder. Gustav Klimt Landschaftsmalerei sei zu Recht im Depot gelegen, etwa beim "halbfertigen Apfelbaum" handle es sich um ein "unterdurchschnittliches Werk", lediglich "Adele II" habe diese Aufmerksamkeit verdient.

"Bei vielen anderen Künstlern, wie zum Beispiel Paul Cézanne, unterscheidet der Markt in Sachen Qualität nach wie vor sehr genau", so der Direktor. Die "Goldene Adele", die ein außergewöhnliches Werk Klimts sei, habe diesen "Run" auf die weiteren Gemälde ausgelöst. Neben der Trauer über den Verlust der Klimt-Bilder sehe er jedoch auch einen positiven Aspekt: "Es ist zu begrüßen, dass Klimt, Schiele und Kokoschka uns auch im Ausland begegnen."

Für die Rekord-Summe für Egon Schieles "Kniender Akt nach links" konnte sich Schröder hingegen begeistern: "Ich bin sprachlos! Wahnsinn!". Diese Entwicklung spiegele eine geänderte Wertschätzung Schieles wider. Für den Kunstkenner seien die Papierarbeiten Schieles bedeutender als seine Gemälde. "Sie sind viel originärer und eigenständiger."

Dass auch das Ludwig Kirchners Bild "Berliner Straßenszene" versteigert worden ist, freut ihn ganz und gar nicht: Man hätte sich mehr Zeit lassen sollen bei der Restitution. In einer Nacht und Nebel-Aktion wurde vielleicht vorschnell öffentliches Eigentum zurückgegeben", so Schröder. Der Hype der zahlreichen Restitutionen würde derzeit gar die Frage der Rechtmäßigkeit überschatten.

"Tulpomanie"

Ganz andere Töne kamen aus der Österreichischen Galerie Belvedere. Direktor Gerbert Frodl bedauerte vielmehr, dass die Käufer der Klimt-Gemälde bislang anonym geblieben sind. "Wenn sie kein potenter Sammler erworben hat, werden sie vielleicht irgendwann wieder im Handel auftauchen. Vielleicht gibt es ja auch einen Mäzen, der eines der Bilder einem Museum schenkt", so Frodl. Über die Preise sei er nicht überrascht, die seien "in der Luft" gelegen.

Der Hype rund um die Klassische Moderne erinnere ihn an die "Tulpomanie" in Holland des 17. Jahrhunderts. Dass dieser Höhenflug jedoch von einen auf den anderen Tag abbreche, glaubt Frodl aber doch nicht. Er sei ein Bewunderer des Kunstsammlers Ronald Lauders, es sei gut, dass er die Spitzenwerke ("Goldene Adele", Ludwig Kirchners "Berliner Straßenszene", Anm.) kaufe und in der "Neuen Galerie" in New York zeige. Umrechnen dürfe man die Beträge jedoch nicht. "Ich werde wahnsinnig, wenn ich daran denke, dass man so manches Gemälde damals vorsichtig auf 13 Millionen Schilling (944.747 Euro) schätze." Ob er darauf hoffe, dass ein Mäzen vielleicht gerade die Österreichische Galerie Belvedere für seine Spende aussucht? Frodl: "Ich werde anfangen zu träumen." (APA)