1. Starke Industrien, Herausforderung Landwirtschaft: Die im Westen gehegte Vorstellung einer globalen "Arbeitsteilung" (mit China als "Werkbank" und Indien als "Büro der Welt") entspricht so wenig der Wirklichkeit wie die bonbonfarbenen Happyends im indischen Liebesdrama. Ob Mittal-Arcelor oder neuerdings Tata-Corus, die Mega-Mergers im Stahlsektor zeigen, dass globale Wettbewerber entstehen - Beispiel Pharma: Noch vor zwei Jahren war Ranbaxy der einzige Multi mit Niederlassungen in 25 Ländern - heute sind es bereits zwölf; gemessen an der Produktion rangiert die indische Pharma- industrie weltweit auf Rang vier mit acht Mrd. Umsatz im Jahr 2005. Mehr noch als für die Industrie gilt, dass der Agrarsektor weiterentwickelt werden muss. Der Anteil der Industriebeschäftigten liegt bei 16 Prozent - 60 Prozent der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft.
2. Stärkung des Finanzmarkts, Herausforderung Staat: Die schnell wachsenden Unternehmen sind auf Kapital angewiesen wie die globalen Finanzdienstleister auf Wachstum: Waren es zunächst IT- und Verwaltung, so wandern mittlerweile auch Kernbereiche wie die Abwicklung des Wertpapiergeschäfts nach Indien ab. In Bombay und Bangalore entstehen Verwaltungszentren der Deutschen Bank, seit 2005 wurden acht neue Filialen eröffnet. Neben der Bürokratie entwickelt sich das Staatsdefizit von rund 31 Mrd. Dollar (zehn Prozent des BIP) zur Bedrohung. Investitionen in die Infrastruktur, Energieversorgung und Transportnetze, sind nötig wie ein Ausbau des Rechtssystems.
3. Wettbewerbsvorteil Arbeitskräfte, Nachteil Arm-reich-Gefälle: Indi-ens Wachstum hängt auf absehbare Zeit vom Dienstleistungssektor ab und damit von einer wachsenden Zahl qualifizierter Arbeitskräfte. Der Talentpool ist riesig, doch "weiche" Faktoren wie Managementkapazitäten sind rar, weil sie zu den "Exportschlagern" gehören. Wie in China entwickelt sich in den Städten eine kaufkräftige Mittelschicht; doch weit schärfer wirkt sich der Kontrast zwischen Stadt und Landbevölkerung aus, die in Indien 74 Prozent der Bevölkerung ausmacht und vom "neuen Indien" noch kaum etwas zu sehen bekommen hat - das Pro-Kopf-Einkommen ist mit 470 Dollar nicht einmal halb so hoch wie in der Stadt.