Immerhin hat diese Premiere vor fast auf das Datum genau 43 Jahren ein innenpolitisches Erdbeben ausgelöst. Die Ursache lag in Herbert von Karajans unabdingbarem und von der Gewerkschaft wütend beeinspruchtem Wunsch, für sein fast rein italienisches Ensemble einen italienischen Souffleur zu verpflichten. Die endlosen Querelen führten übrigens zum Rücktritt des damaligen Unterrichtsministers Theodor Piffl-Percevic. Für den in aller Eile an dessen Stelle gesetzten jungen Ministerialrat Alois Mock bedeutete dies übrigens den Start seiner politischen Karriere.
Edle Kunstfigur
Wegen dieser glanzlosen sonntägigen Bohème wird sicher niemand den Hut nehmen, auch wenn man ihn vor dieser Aufführung und ihren Verantwortlichen nicht tief zu ziehen hat. Zumindest dem für sein feines Ohr für Sänger zu Recht so geschätzten Staatsoperndirektor Ioan Holender hätte doch klar sein müssen, dass auch so eine edle Kunstfigur wie Neil Shicoff als Rodolfo nicht jenen interpretatorischen Rang erreicht, für den man ihn ansonsten so schätzt.
Das braucht man sich doch nicht erst auf der Bühne um hohe Gagen beweisen zu lassen. Wenn mit dieser Aufführung etwas bewiesen wurde, dann nur, dass man Giacomo Puccini und die italienische Oper insgesamt nicht globalisieren kann.
Was Diätexperten schon lange predigen, sich nur von dem zu ernähren, was in jenem Land wächst, in dem man sich gerade aufhält, gilt in Grenzen auch für die Musik und ihre Interpreten. Und so hat Herbert von Karajan schon gewusst, warum er für seine Premiere Mirella Freni und Gianni Raimondi als Protagonistenpaar und Leute wie Giuseppe Taddei, Rolando Panerai und Ivo Vinco für die kleineren Partien verpflichtete.
Poetische Gestik
Sicher lassen sich solche besetzungstechnischen Glücks-fälle nicht beliebig wiederholen. Doch mit einem einzigen Italiener, Marco Armiliato, der am Pult die nötige poetische Innigkeit gestisch zwar vorgab, doch im ziemlich behäbig tönenden Orchester kaum bewirkte, lässt sich bei allem Respekt vor den einzelnen Leistungen der unverwechselbare Zauber des Verismo nicht beschwören, wirkt diese Bo-hème wie eine falsche Rolex aus Thailand.
Irgendwie italienisch zu singen ist für ein Haus vom Anspruch der Wiener Staatsoper einfach zu wenig.